Das Openair Etziken fand heuer zum 25. Mal statt. Bloggerin Myriam Brotschi Aguiar war das erste Mal überhaupt mit dabei. Wie sie den Freitagabend erlebt hat, erzählt sie in Teil 1 der OAE-Berichterstattung.
Natürlich begegnete mir das Openair Etziken Jahr für Jahr, aber irgendwie waren mir das Gurtenfestival und das Montreux Jazzfestival immer näher. Jedoch, man soll ja immer wieder Dinge zum ersten Mal machen, weshalb ich ausgerüstet mit dem Libero-Extraticket und in regenfester Kleidung loszöttelte. In Etziken, ganz im Festivalmodus, angekommen, gings in einem kurzen Marsch vorbei an Bauernhöfen, die ihre Pop-up-Bars aufgestellt hatten, entlang des Maisfelds und an den Grenzen des Festivalzeltplatzes aufs Festivalgelände. Ein paar Minuten anstehen und schon hatte ich den farbenfrohen Bändel am Arm, das Cashless-System mit Guthaben aufgeladen und es war spürbar, dass sich auch die Helferinnen und Helfer auf den Anlass freuten.
Düppig wars in der Arena, wo Loco Escrito schon voll dabei war, das Publikum zusätzlich aufzuheizen, mit dem Schmelz in seiner Kopfstimme, dem schweissglänzenden Torso und dem aufreizenden Hüftschwung. Mindestens so spannend wie das, was auf der Bühne abging, waren die Reaktionen im Publikum: da knöpfte sich «Mamacita» noch einen weiteren Knopf an der Bluse auf, bei «Maria» gabs rote Bäckchen und schimmernde Augen, gestandene Frauen, die sich sichtlich wünschten, Loco singe «Sin ti» (wenn auch knapp an den Tönen vorbei) nur für sie allein … Ja, ja, Loco, der Mann mit kolumbianisch-schweizerischen Wurzeln aus Wetzikon weiss, wie man den Latinlover gibt, das Konzept geht auf, der Erfolg gibt ihm ja recht, aber ich wurde trotzdem nicht so richtig warm mit seiner Live-Performance.
Troubas Kater auf der Zeltbühne hingegen (verträumte Pause): «they had me at hello» oder bereits während der ersten Töne. Bei dieser Berner Band gefiel mir (was ich allerdings schon vorher wusste) einfach alles, alles: die Instrumentierung, die satten Arrangements, die Kraft der Worte, die Performance, der Sänger … Troubas Kater lassen Melancholie vergnüglich klingen, sie verknüpfen Tiefgang und Rhythmus, ernsthafte Texte und virtuose Bläsersoli gingen ineinander über, so lange, bis das ganze Zelt hüpfte, tanzte und sang mit den sechs Mannen auf der Bühne. So lange bis einen das Konzertglück im Hals steckenblieb, weil das, was Markus Sollberger alias QC da beispielsweise bei «Celsius» mit seiner kehligen Stimme sprechsingt – gestützt von eindringlichen Bläsern – einfach unglaublich dystopisch ist. Doch ein Lied weiter wischte die Poesie von «Latvia» das beklemmende Gefühl wieder weg und Frau freute sich mit, wenn QC sich beim Publikum bedankt für den Besuch, sich darüber freut, dass wir, das Publikum gekommen sind, um «ächti Mönsche mit ächte Inschtrumänt» zu geniessen.
Danach Fischknusperli gegessen und fliegender Wechsel zurück in die Arena, zu Lo & Leduc. Eigentlich wollte ich ja das Phänomen Lo & Leduc ergründen, dahinterkommen, was ihren Erfolg ausmacht, kritisch bleiben, aber was soll ich sagen… es reihte sich Hit an Hit, fasziniert beobachtete ich, dass die beiden Berner die Bühne längst lässig und leicht (vielleicht hier und da ein Spürli zu lustlos, etwas zu souverän) zu ihrem Universum gemacht haben und schon bald johlte und sang auch ich mit: «079 het sie gseit», «Cuba Bar», «au die Büecher», «s’erschte Tram», auch meine Hände streckten sich glückselig ins Abendrot und erstaunt, dass mich Freestyle auf Bärndütsch so unglaublich catched, bin ich nach Hause gegangen. Erfüllt und mit dem dringenden Gefühl, meinen zwei Liebsten zuhause vom OAE zu erzählen.
Fortsetzung folgt hier
Sie ist eine Frau des Wortes und des bewegten Bildes. Denn Kino kanns Myriam so richtig antun. Immer mal auf Reisen, weiss die Grenchnerin aber auch bestens Bescheid, was in ihrer Hood geht. Immerhin ist sie bestens verwurzelt. Und wenn sie hier über einen Anlass bloggt, schafft sie es, den Leser oder die Leserin auf einen kleinen Exkurs in Träumerei mitzunehmen. Dies aber nicht, ohne ihn oder sie auch sanft wieder auf den Boden der kulturellen Realität zurückzuführen.