zmitz-Bloggerin Myriam Brotschi Aguiar hat sich einen Filmtage-Marathon zurechtgelegt. Und sie hört schon die Stimmen: «Was? Fünf Filme an einem Tag? Langspielfilme? Das kann doch nach einer Weile niemand mehr aufnehmen…»

Doch, ich kann. Und wie ich das kann. Tatsächlich geniesse ich es mit jeder Faser meines Seins, am Freitag von morgens bis abends einzutauchen in andere Welten, wie das an den Solothurner Filmtagen so wunderbar geht. Nicht, weil ich meiner Welt entfliehen will. Die ist bunt, reich und fordernd und nie langweilig. Aber einfach, weil es ein Geschenk ist, den Schauspielerinnen und Schauspielern in ihre Geschichte zu folgen und dabei zu vergessen, dass es Schauspieler sind. Wo, wenn nicht an den Solothurner Filmtagen, schaue ich bereits morgens um halb zehn Uhr einer Frau in ihren späten Fünfzigern zu, wie sie sich, einem Ritual folgend, jeden Dienstag in die gigantische Umgebung des Grand Dixence begibt, um sich dort in einem Hotel gezielt einen Mann für ein Schäferstündchen auszusuchen?

Wieder in der Realität geht es in raschen Schritten durch die lebendige Stadt in die Reithalle, wo «Die Theorie von allem» gespielt wird. Ein Film, der mich in seiner ganzen Anmutung – Vorspann Tempo, Farben (schwarz/weiss), Musik, Einstellungen, Dialoge, Special Effects, nicht zu vergessen die ohne Unterlass rauchenden Darsteller – in die Fünfzigerjahre mitnimmt. Danach über den Vaubanweg zurück in den Konzertsaal, die kristallklare, eisig kalte Luft geniessend und ein paar Sonnenstrahlen einfangend. Dort wird «The Deer Girl» gespielt. Dieses Werk lässt mich am Anfang etwas ratlos, aber die Geschichte von Mutter und Tochter im Umgang mit einem übergriffigen Ehemann und Vater zieht mich immer stärker in ihren Bann.

Grosse, intensive, heftige Gefühle gibt es auch in Film Nummer vier: « Anxiety» von Slawomir Fabicki, der im völlig ausgebuchten Landhaussaal gezeigt wird. Es ist eine Art Roadmovie, welche die zwei Hauptprotagonistinnen auf eine schicksalshafte Reise von Polen in die Schweiz führt. Es ist bereits Nacht, als wir schweigend unseren Weg Richtung Kino Capitol unter die Füsse nehmen. Leise glucksend fliesst die Aare an uns vorbei, Lichtpunkte schwimmen in ihr, schmücken die Verwirbelungen. Die Intensität des letzten Filmes lässt das Sprechen nicht zu, Trost finden wir im Verschmausen unserer Wegzehrung: Die Solothurner Filmtage fallen für gewöhnlich in die Vorfasnachtszeit. Das gibt uns die Möglichkeit, uns quer durch alle typischen Fasnachtsgebäcke zu schmausen …jeweils einen halben Zigerchrapfen aus der Kaffeehalle, einen halben vom Studer, einen aus der Suteria und schliesslich wird noch ein Schenkeli geteilt.

Nach diesem Zuckerschub sind wir bereit für die harte Kost des Filmes «Sconosciuti puri», der sich aber (für mich) eher als langatmig und kühl entsponn und mich trotz des dringenden Themas seltsam unberührt liess. Trotzdem gehe ich erfüllt (satt) und mit dem Grundgefühl nach Hause, dass mein Horizont am Abend weiter und farbiger ist als noch ein paar Stunden zuvor.

Sie ist eine Frau des Wortes und des bewegten Bildes. Denn Kino kanns Myriam so richtig antun. Immer mal auf Reisen, weiss die Grenchnerin aber auch bestens Bescheid, was in ihrer Hood geht. Immerhin ist sie bestens verwurzelt. Und wenn sie hier über einen Anlass bloggt, schafft sie es, den Leser oder die Leserin auf einen kleinen Exkurs in Träumerei mitzunehmen. Dies aber nicht, ohne ihn oder sie auch sanft wieder auf den Boden der kulturellen Realität zurückzuführen.