Das Theaterstück «Choc!» forderte unsere Bloggerin Myriam Brotschi Aguiar so sehr, dass es nicht bei einem Theaterbesuch blieb. Und das Stück hallt noch nach.

Um ehrlich zu sein: Ich habe zwei Anläufe gebraucht, um «Choc!» zu sehen. Als ich zum ersten Mal im Theater sass, war ich von dem Dargestellten so konsterniert, dass ich in der Pause das Weite suchte. Den Grund dafür in der Schauspielkunst zu suchen, wäre weit gefehlt. Nein, mich erschütterte zu erfahren, wie viele Schweizer Familien in den Sklavenhandel verstrickt waren, der sich so weit von der Heimat abspielte. Tatsächlich hatte die Schweiz als Staat keine Kolonien, aber viele Bürger waren zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert in die Sklavenwirtschaft involviert.

Nun kann man mich ruhig der Naivität bezichtigen und natürlich weiss ich, dass der Reichtum unseres Landes nicht nur vom Fleiss stammt. Aber Sklavenhandel? Das war wirklich choc-ierend! Nun beim zweiten Mal konnte ich mich besser auf den Stoff einlassen, auch wenn mir die erniedrigenden Handlungen auf der Bühne und die Lacher im Publikum (meist an den falschen, passiv-rassistischen Stellen) nah gingen. In seinem Auftragswerk verfolgt Dominique Ziegler den Weg des Kakaos von den Tempeln Südamerikas über die Felder Afrikas bis in die Handelszentren der Neuzeit. Die Schweiz immer im Fokus.

Es ist eine Geschichte, die von Sklaverei, Rassismus, Gewalt, Unterdrückung und nicht zuletzt Gier handelt. Aber es ist natürlich auch eine Geschichte, die zeigt, wie sich die europäische Noblesse voller Hochmut nach dem heissen, bitteren Schokoladengetränk verzehrte. Der Weg der Schokolade von ihrem Ursprung in Südamerika bis in die Regale unserer Läden auf die Theaterbühne zu bringen, muss für Dominique Ziegler mit seinen Idealen und Motivationen eine enorme Herausforderung dargestellt haben. Als Zuschauende folgt man atemlos dem chronologischen Erzählstrang mit symbolträchtigen Episoden.

Die Intensität des Themas, die Dichte historischer Informationen, die konsequente Zweisprachigkeit, der Wechsel der Bühnenbilder und der Kunstgriff, dass die meisten Schauspielerinnen und Schauspieler mehrere Rollen spielten, machten es mir nicht immer leicht, dem Stück oder vielmehr den Inhalten zu folgen. Und je länger der wilde Ritt durch die Epochen dauerte, desto lauter wurde die Frage in mir: Warum ist es notwendig, in den so ernsten Stoff immer wieder humorvolle Momente hineinzuwirken? Warum darf das Drama nicht als das Drama stehengelassen werden, das es doch ist?

Vielleicht sind es aber gerade diese Lacher oder vielmehr jene, die im Hals steckenbleiben, die es vermögen, uns zum Nachdenken zu bringen. Darüber, welche Opfer gebracht werden, damit wir einen süssen Genussmoment erleben. Und darüber, was man ändern muss, damit eben diese Süsse dereinst keinen bitteren Nachgeschmack mehr hat.

Weitere Aufführungen am Mittwoch, 29. November 2023, 19.30 Uhr, im Stadttheater Solothurn, am Dienstag, 5. Dezember 2023, 19.30 Uhr, im Stadttheater Biel sowie am Donnerstag, 7. Dezember 2023, 19.30 Uhr, im Casino Theater Burgdorf. Details hier.

Sie ist eine Frau des Wortes und des bewegten Bildes. Denn Kino kanns Myriam so richtig antun. Immer mal auf Reisen, weiss die Grenchnerin aber auch bestens Bescheid, was in ihrer Hood geht. Immerhin ist sie bestens verwurzelt. Und wenn sie hier über einen Anlass bloggt, schafft sie es, den Leser oder die Leserin auf einen kleinen Exkurs in Träumerei mitzunehmen. Dies aber nicht, ohne ihn oder sie auch sanft wieder auf den Boden der kulturellen Realität zurückzuführen.