Der Besuch der Literaturtage hat bei Myriam Brotschi Aguiar noch lange nachgewirkt. Wegen der Literatur, wegen der Gespräche, wegen der Themen – und wegen einer spontanten Freudesbekundung.

Vielleicht waren die Nebengeräusche in meinem Leben zu laut, die Ablenkungen durch Polarlichter, Eurovision, Kriegswirren zu vereinnahmend, vielleicht ist es aber auch die flammende Lektüre, die ich zurzeit lese und die mich fordert («Sturz in die Sonne» von C. F. Ramuz) oder es war einfach der Sommereinbruch, der mich in eine doch sehr nonchalante Stimmung versetzte. Auf jeden Fall habe ich meinen Besuch der Literaturtage seltsam unbeteiligt angetreten, studierte das Programm nur oberflächlich, immer wieder in die Sonne blinzelnd, kurz: Ich mäanderte von einem Programmpunkt zum andern und mit jeder Lesung, jedem Gespräch konnte ich mich etwas mehr in diesen wunderschönen und wichtigen Anlass und in die diversen literarischen Ansätze fallen lassen.

Es kitzelte mich, wühlte mich auf, ich seufzte während den Lesungen, beklatschte die intelligenten Plots, lachte auf oder kicherte leise in mich hinein. Spuren hinterlassen haben vier Lesungen und Gespräche, wobei es nicht nur das Werk der Schriftsteller:innen war, sondern immer auch die Präsenz der jeweiligen Moderatorinnen, die mit ihrer Unterschiedlichkeit dem Gespräch ihre Prägung gegeben, es in die eine oder andere Richtung getrieben haben: locker-versiert oder sich etwas verspannt an das Skript haltend, die andere sachlich-aufgeklärt oder mit viel Wertschätzung für das Werk.

Beeindruckt haben mich:

«Feuerlilie» von Gianna Olinda Cadonau, weil ich neugierig geworden bin auf ihre Geschichte, die körperliche und psychische Versehrtheit thematisiert. Sie erzählt multiperspektivisch und verordnet ihren Roman in einem Engadiner Dorf. Lesung und Gespräch in der Säulenhalle, moderiert von Martina Kuoni.

«Sirma» von Sara Wegmann. Ein Roman, der mit sehr explizitem Sprachrhythmus erzählt, was passiert, wenn das Sprechen schwerfällt. Lesung und Gespräch im Kreuzsaal, moderiert von Barbara Villiger-Hellig.

KI – eine multidisziplinäre Annäherung. Oh, was war das spannend, beruhigend und unterhaltsam, ein Gespräch mit Schriftsteller Elias Hirschl, Regisseur Stefan Kaegi sowie Produzent, Autor und Komiker Patrick «Karpi» Karpiczenko, der sich sichtlich wohl fühlte in seiner Haut. Gespräch und Auseinandersetzung im Landhaussaal, moderiert von Salome Meier.

Und dann war da Simone Meier, welche die Lesung und das Gespräch, moderiert von Nadja Brügger mit den erfrischenden Worten «I han e Schiisfröid a däm bumsvolle Saal» begann und «Es brauchte 54 Jahre und fünf Romane, bis ich endlich an die Literaturtage kommen konnte.» Klar, dass sie ihr Publikum sofort im Sack hatte. Sie führt uns in ihrem Roman «Die Entflammten» in das Leben und Lieben der feministischen, politischen und ganz und gar beeindruckenden Johanna Van Gogh-Bonger heran und lässt uns unter anderem wissen, wer in Tat und Wahrheit hinter dem kommerziellen Erfolg ihres Schwagers, Vincent Van Gogh, steht.

Sie ist eine Frau des Wortes und des bewegten Bildes. Denn Kino kanns Myriam so richtig antun. Immer mal auf Reisen, weiss die Grenchnerin aber auch bestens Bescheid, was in ihrer Hood geht. Immerhin ist sie bestens verwurzelt. Und wenn sie hier über einen Anlass bloggt, schafft sie es, den Leser oder die Leserin auf einen kleinen Exkurs in Träumerei mitzunehmen. Dies aber nicht, ohne ihn oder sie auch sanft wieder auf den Boden der kulturellen Realität zurückzuführen.