Eigentlich ist Bloggerin Lucilia Mendes von Däniken nur aus Neugier ans Konzert von Pippo Pollina gegangen. Erwartet hat sie ein Konzert, erlebt aber eine Reise durch die Lebensgeschichte des Cantautore.
Pippo Pollina – dieser Name begleitet mich schon seit vielen Jahren. Und dabei hatte ich bis anhin null Verbindungen dazu. Ich wusste, es gibt ihn. Ich hatte knapp eine Vorstellung, wie seine Musik sein könnte – aber viel mehr nicht. So machte ich mich nun gestern Abend auf den Weg ins Kofmehl, um diese kulturelle Wissenslücke zu füllen.
Das Publikum war gemischt: Grundsätzlich eher ü50, daneben aber eine komplette Kantiklasse. Pippo Pollina stellte sich auf die Bühne. Alleine. Hinter ihm eine grosse Leinwand. Was ich zum Glück nicht wusste: Mich würde eine Mischung aus Konzert und «Vortrag» erwarten. Ich befürchte, ich wäre sonst nicht gekommen – und das wäre schade gewesen! Es ist grundsätzlich so: Wenn ich an ein Konzert gehe, dann mag ich es nicht sonderlich, wenn der Sänger zu viel redet.
Pippo Pollina hat viel geredet. Über seine Kindheit, wie er als 15-Jähriger erstmals eine Gitarre in den Händen hielt und dann mit 16 eine Band gründete. Wie er mit der Band in der DDR einen Auftritt hatte und der dortigen TV-Station ein Interview geben durfte. Der Journalist hatte ihm zugesichert, dass er frei reden dürfe. Pippo Pollina gab über seine politischen Ansichten Auskunft, offen und ehrlich. In Zeiten des Kommunismus mutig. «95 Prozent meiner Aussagen wurden dann auch herausgeschnitten», erzählt er – und zeigt dann auf der Leinwand, welche 5 Prozent übriggeblieben waren. Und so entwickelte sich der Abend weiter: seine persönliche Musikgeschichte vermischt mit Weltgeschichte. Zeitdokumente in Form von Fotos und Videos auf der Leinwand – und dazwischen immer die Musik, welche ihn in der jeweiligen Zeit geprägt hatte.
Und so erfuhr man, wie die Cosa Nostra den Alltag in Sizilien prägte. Erfuhr vom Verwandten, der nach Amerika ausgewandert war und erst viele, viele Jahre später zurückkehrt, um einerseits eine Ehefrau zu finden und andererseits, um herauszufinden, dass sich seine Heimat auch verändert hatte. Pippo Pollina erzählt von seiner Zeit als Strassenmusiker. Wie er zwei Monate Interrail machen wollte und daraus fünf Jahre wurde. Wie er dann in der Schweiz hängenblieb und zwar vor allem durch seine Freundschaft zu Linard Bardill (Bild links).
Ich sass da, beobachtete und mir wurde bewusst, dass dieser Abend wirklich – und viel mehr als erwartet – tatsächlich eine Wissenlücke füllt. Nach und nach. Zudem wurde mir bewusst, wie die Vergangenheit der Eltern und ihre Charaktereigenschaft auch die Zukunft der Kinder mitgestalten kann. Der Cantautore hat zwei Kinder. Beide machen Musik. Der Sohn unter dem Namen Faber – und die Tochter Madlaina mit ihrer Frauenband «Steiner & Madlaina». Ihre Musik ist weit entfernt von Mainstream-Pop: Beide rebellieren, beide trauen sich politische Themen in Musik zu packen und beide stehen mit beiden Beinen selbstbewusst auf der Bühne. «Nell’attimo» (Im Augenblick) – ganz so wie Pippo Pollinas neustes Album heisst. Und trotzdem nicht nur im Hier und Jetzt, sondern auch in der Vergangenheit – mit Blick auf eine mögliche Zukunft.
Mehr Infos und Zeitdokumente gibt es hier.
Ohne Lucilia wäre zmitz nicht zmitz. Denn im Jahr 2014 gründeten sie und Fabian den Kulturblog, um die vielseitige Kultur rund um Solothurn strahlen zu lassen. Aus langjähriger beruflicher Tätigkeit und purem persönlichem Interesse kennt sie die Kulturbetriebe der ganzen Region und denkt immer eine Nasenspitze weiter. Sie ist aber nicht nur Co-Leiterin der Redaktion, sondern auch Vizepräsidentin des Vereins zmitz.