Kurzweilige Zeitreise an der Kulturnacht Grenchen

Es war nicht sein erster Besuch der Kulturnacht Grenchen – und Blogger Gianni ist überzeugt: Es war auch nicht der letzte! Die «Zeitreise» hat ihm Spass gemacht – und er wurde sogar vom Zuschauer zum Statisten. Aber lest selber.

«So many girls, so little time», hat mal ein Herzensbrecher gesagt oder gesungen. Das ging mir beim Studieren des Programms der Kulturnacht Grenchen durch den Kopf, oder: So viele spannende Angebote, so wenig Zeit. Unter dem Motto «Zeitreise» gab’s in der Zeitmesser-Stadt nacheinander und zeitgleich Konzerte, Tanz, Theater, Literatur, bildende Kunst, Graffiti, Film, Workshops, Ausstellungen, Partys usw zu sehen und zu hören. Von einem Act zum anderen hetzen mochte ich nicht, Kultur und Stress passen nicht zusammen. Vier Vorstellungen, die Graffitis auf dem Marktplatz und ein Ohr voll Hip-Hop bei der Centro-Unterführung habe ich geschafft, dazwischen hat’s sogar für Pizza und Bier gereicht.

Die erste Etappe war in der Stadtbibliothek und literarisch-kulinarisch, die Ankündigung «Peter Denlo liest und kocht aus „Zungentod“» hatte mich gwundrig und gluschtig gemacht. Bei manchen Lesungen ist mir schier das Gesicht eingeschlafen, nicht so beim witzig-abwechslungsreichen Auftritt des Berner Autors und Gründer des Ensembles DinnerKrimi. Als Schauspieler und Theater-Autor liest er lebendiger als andere, die Textauswahl aus seinem Debutroman war gut gewählt und hat Lust auf Mehr gemacht. Zum Einstieg las er das Rezept eines Gerichts aus Burma (Myanmar) vor, in seinem Buch sind einige davon zu finden. Zwischen den Texthäppchen hat Denlo burmesischen Fleischsalat vorgekocht – und als zmitz-Blogger mit wie immer vollem Körpereinsatz, durfte ich ihm assistieren. Das Essen war köstlich, obwohl ich zu den Menschen gehöre, die offenbar genetisch bedingt den Geschmack von Kardamom als «gruusig seifig» empfinden.

Mit einem Geschmack nach WC-Ente im Mund zog ich weiter ins Parktheater zum Konzert von Atina Tabé. Die Schauspielerin, Sängerin und Autorin ist in Teheran geboren, ihre Familie floh in den 80er-Jahren nach Deutschland, heute lebt sie in Solothurn und ist unter anderem am Theater Orchester Biel Solothurn engagiert. Mit ihrer Ausstrahlung und ihrer wunderbaren Stimme zog sie die Zuhörer:innen im gut besetzten Saal sofort in ihren Bann, mit ihren Liedern aus verschiedenen Kulturen sorgte sie für begeisterten Applaus – als Abschluss und Höhepunkt das Stück «Holm», ein ursprünglich iranisches Lied, das von der Sängerin Emel während des Corona-Lockdowns auf tunesisch aufgenommen und während der Proteste in ihrem Land zur international bekannten Hymne des Arabischen Frühlings wurde. Gänsehaut pur, ein paar Tränen und eine Standing-Ovation als Dank für Atina Tabé und Matthias Schoch, der sie am Flügel begleitete.

 

 

 

 

 

 

 

 

Danach schaute ich kurz in den Line-Dance-Workshop von Astrid Kaltenrieder rein – ebenfalls im Parktheater und ebenfalls gut besucht. Für mich ein kleiner Kulturschock. Die Teilnehmer:innen hatten offensichtlich Spass, mich hat’s nicht gepackt, ich habe dem Yankee-Reihentanz ein Bier vorgezogen, um die Lachmuskeln zu lockern. Als nächstes stand nämlich «Strohmann-Kauz» auf dem Programm, das Kabaret-Duo bestehend aus dem Berner Matthias Kunz und dem Oltner Rhaban Straumann. Ihre kultigen Figuren Ruedi und Heinz sind zum Brüllen lustig, ihre Komik aber nie slapstickhaft-banal. Der zeitweise surreale Dialog der kauzigen Rentner drehte sich um Themen wie neue Technologien, Wokeness, Pflegenotstand, Krieg und die Schweizer Neutralität – «die chame guet schüttle und immer wieder neu uslegge». Das Ganze immer augenzwinkernd und nach dem Motto: «S’isch nümm wie früöhner. – Jo. Früöhner isch ebe früöhner oder schpöter verbii.»

Eine völlig andere, aber nicht minder unterhaltsame Art von Kabarett zeigte das Duo Comedia Zap im proppenvollen Kleintheater. Kreativ und humorvoll war der Auszug aus dem Programm «Zeitlupe» von Cécile Steck und Didi Sommer, aber auch poetisch und romantisch. Kein Wunder, die beiden aus Starrkirch-Wil haben schliesslich beim aktuellen Programm des Zirkus Monti Regie geführt. Die Vorführung passte wunderbar zum Kulturnacht-Motto, der Schluss des Stücks fasste es perfekt zusammen: «Die Zeit ist zu langsam für jene, die warten; zu kurz für jene, die sich freuen. Doch für jene, die lieben, ist Zeit Ewigkeit.» Und vor dem Schlussvorhang und dem tosenden Applaus gab’s noch das ultimative Woody-Allen-Zitat obendrauf: «Die Ewigkeit dauert lange, besonders gegen Ende.»

Mein Fazit: Herzlichen Dank den Macher:innen! Ich habe eine entspannte, unterhaltsame, anregende, kurzweilige Zeitreise erlebt – das war garantiert nicht meine letzte Kulturnacht Grenchen.