Soll mal jemand sagen, dass die Kulturwelt noch schläft. Soll mal jemand sagen: «In Solothurn läuft nichts!» und soll noch einer behaupten, dass Solothurn langweilig ist. Bloggerin Lucilia Mendes von Däniken hat am vergangenen Wochenende das Gegenteil erlebt.

Gestartet hat mein Kulturweekend aus einer Schnapsidee heraus am Freitagabend im «Kofmehl». Kurz zusammengefasst: Ich ging rein aus Spass – und vielleicht ein kleines bisschen Neugier an das Konzert von «dArtagnan» in der Kulturfabrik Kofmehl. Schon beim Marsch über den Parkplatz unter der Leporello-Brücke war klar: Die Mittelalterszene aus der halben Schweiz sowie dem angrenzenden Ausland war angereist. Dies bewiesen einerseits die Autonummern, andererseits auch die Bekleidung mancher Konzertbesucher:innen. Während die Farbe Schwarz vorherrschte, waren hie und da aber auch weinrote, wallende Röcke zu sehen. Über den Rücken trugen manche eine Fellstola. Stiefel, Ketten, Trinkhörner gehörten zu den beliebtesten Accessoires. Letztere wurden sogar an der Bar ausnahmsweise mit Bier gefüllt.

Die Stimmung war schon bei der Vorband «Rauhbein» absolut bombastisch. Jedes Lied wurde lauthals mitgesungen, der Leadsänger erinnerte an wilde Nächte im Wald, an Ronjas Räuberbande. Es wurde gestampft, geschunkelt, gejohlt. Noch heftiger dann bei «dArtagnan». Da war alleine schon das hölzerne Steuerrad auf der Bühne – ausgeschmückt mit Schwertern – ein Hingucker. Und der Sänger wickelte sein Publikum zusätzlich um den Finger. Das Konzert war ein Höllenritt im positiven Sinne.

Den Samstag liess ich ruhig angehen – und das war auch gut so, denn der Sonntag lockte mit einem kulturellen Doppelpack. Nach dem Mittag ging es an die Solocon, dem Treffpunkt für Cosplayer. Auch diese reisten zum Teil von weit her an. Und auch diese machten mit aussergewöhnlicher Kleidung auf sich aufmerksam. Im Vergleich zum Mittelaltervolk setzten sie noch einen drauf: Die Cosplayer spielen mit Kleidern – die von den Hardcore-Fans nicht etwa auf Wish gekauft, sondern selbstgemacht werden. Sie greifen zu Perücken, zu farbigen Kontaktlinsen. Sie sind gruseliger Sensemann, bunte Figur aus Mangas oder Games, bezaubernde Fee oder Monster jagende Ghostbuster. Wer rund um oder in der Reithalle Solothurn unterwegs war, staunte über den Mut, das Engagement und die Nerdigkeit dieser Szene. Eine bunte Welt, die absolut einzigartig, schräg, aber durchaus faszinierend ist – und keineswegs nur von Jugendlichen, sondern auch von gealterten Fans gepflegt und gelebt wird.

Kontrapunkt war dann das Sonntagabendprogramm. Im «Kofmehl» stand ein besonderes Konzert mit den Fribourger Musikern von «The Young Gods» auf dem Programm. Elektroklänge, die es in sich haben. Diesmal nicht mit Hits aus der Vergangenheit unterwegs, sondern mit dem Programm «The Young Gods Play Terry Riley In C», welches fix durchgeplant Template an Template fügt. Das Publikum eher über 40, auch schwarz gekleidet, aber sehr ruhig mit einem Glas Wein oder einer Flasche Bier zu den sphärisch-ruhigen, aber auch ekstatisch stampfenden Drum’n’Bass-Klängen sich bewegend. Eine Stunde lang bewegte man sich in einer von allem losgelösten Welt, getragen von Emotionen, Lichteffekten und eben dieser Musik, die in Herz, Bein, Kopf und auch direkt in die Blutbahn ging. Danach war Schluss, mit der Erklärung, dass so ein Programm mit sich bringe, dass keine Zugaben passen, weil es eben ein in sich geschlossenes Gefüge von Kombinationen sei.

Zurück bleibt ein Konzertpublikum, das vielleicht etwas enttäuscht ist, weil dieser musikalische Trip doch etwas kurz geraten war – und gleichzeitig ein fasziniertes Publikum und die Erkenntnis, dass da an einem gewöhnlichen Sonntagabend, wo man normalerweise in Jogginghose auf dem Sofa sitzende den «Tatort» geniesst, im «Kofmehl» ein Konzert stattgefunden hat, wie man es nur ganz selten zu hören kriegt.

Ohne Lucilia wäre zmitz nicht zmitz. Denn im Jahr 2014 gründeten sie und Fabian den Kulturblog, um die vielseitige Kultur rund um Solothurn strahlen zu lassen. Aus langjähriger beruflicher Tätigkeit und purem persönlichem Interesse kennt sie die Kulturbetriebe der ganzen Region und denkt immer eine Nasenspitze weiter. Sie ist aber nicht nur Co-Leiterin der Redaktion, sondern auch Vizepräsidentin des Vereins zmitz.