zmitz-Blogger Ruedi Stuber hat sich dem neuen Buch des Solothurner Autors Franz Walter angenommen, lesend eine Zeitreise gemacht und dabei gemerkt, dass die Geschichte ganz gut auch in die Gegenwart passt.
«Vorne an der Front schlagen sie sich gegenseitig die Köpfe ein, und wir versuchen sie dann wieder zusammenzuflicken. Für nichts und wieder nichts.» − Das Zitat stammt nicht aus einer aktuellen Tageszeitung. − Franz Walters neuer Roman spielt vor mehr als 200 Jahren in der Gegend von Uznach, das zum Schauplatz europäischer Geschichte wird. Er schildert die Kriegsereignisse zwischen napoleonischen und kaiserlichen Truppen während des sogenannten 2. Koalitionskrieges. Männer aus der Gegend um Uznach werden von den Franzosen eingezogen, weil die nötige Verstärkung ausgeblieben ist. Zu feilschen gibt es nichts: Das Los entscheidet, wer in den Krieg muss.
Franz Walter ist in Solothurn geboren, wurde auf Umwegen Sekundarlehrer, unterrichtete lange in Deitingen und lebt seit 2000 in der Linthebene, wo sein neuer Roman angesiedelt ist. Er hat rund 20 Romane geschrieben. Praktisch alle spielen vor historischem Hintergrund, wo er die – im neusten Buch fiktive − Handlung ansiedelt.
In «Holzköpfe und Eisenkugeln» erlebt Protagonist Jakob, wie Tausende französische, österreichische und russische Soldaten in eine geordnete Welt eindringen und sein Leben auf den Kopf stellen. Der Vergleich mit Bildern aus der Ukraine liegt nahe.
Jakob ist Idealist: Als tüchtiger Handwerker baut er mit seinem Vater Brücken und Holzschuppen und ist auch im übertragenen Sinn ein Brückenbauer. Er gehört zu den wenigen, die sich freiwillig zum Kriegsdienst für die Franzosen melden. Doch als Soldat wird ihm bewusst, dass sein Entscheid, im Krieg für Liberté, Egalité und Fraternité zu kämpfen, naiv war. Er entkommt knapp dem Tod und lernt als Verwundeter seine künftige Frau, eine Elsässerin, kennen. Sie hilft, schwer verletzte Soldaten zusammenzuflicken, um sie erneut kampffähig zu machen. Die medizinischen Methoden waren brutal: Eiternde Wunden brannte man mit glühenden Eisen aus. Als Narkosemittel diente Schnaps.
Jakobs Bruder Sebastian ist eher ein Bücherwurm, intellektuell begabt, handwerklich ungeschickt. Er tritt als Novize ins Kloster ein, gerät in eine Sekte von Verschwörungstheoretikern, die glauben, im Besitz eines Lebenselixiers zu sein, das den Mitgliedern ewiges Leben verheisst. Obwohl er in Mönchskutte daherkommt, ist Sebastian die Verkörperung des Bösen: Schon als Kind schiesst er mit dem Pfeilbogen seinem Bruder – offenbar vorsätzlich − ein Auge aus und versucht ihn als Erwachsener gar feige zu erstechen.
Im Kriegsgeschehen wird auch das Anwesen der Familie arg in Mitleidenschaft gezogen. Als Jakob und seine Verena aus dem Krieg zurückkehren, finden sie ein zerstörtes Zuhause. Der Vater ist gestorben und die Mutter wird dement. Seuchen grassieren.
Neben der europäischen Politik stehen sich auch auf eidgenössischer Ebene Interessenblöcke gegenüber. Die einen sympathisieren mit den Kaiserlichen, die anderen mit Napoleon und Konservative verteidigen das Ancien Régime gegen die Anhänger der Volkssouveränität.
Allen Wirren zum Trotz beruhigt sich die Situation für die Protagonistenfamilie, − eine neue Generation wächst heran, neue Perspektiven eröffnen sich.
Wie in seinen früheren Romanen glänzt Franz Walter mit minutiösen Recherchen. Er treibt die Erzählung auf den Ebenen Familie, lokale und europäische Politik ohne Rückblenden zügig voran.
Und was den Titel angeht: Der ist leider zeitlos.
Das Buch «Holzköpfe und Eisenkugeln», von Franz Walter, ist im Verlag Antium erschienen und man kriegt es zum Beispiel hier.
Ruedi, der heimliche Spiritus rector von zmitz. Denn es gibt nichts, was der längstjährige Kulturtäter und Musiker nicht kennt. Haben die Jungspunde im Team eine Idee, Ruedi weiss, wer mehr Infos hätte oder wen man einbeziehen sollte. Und im Zweifelsfall sind die damals auch bei ihm zur Schule gegangen. Der bekennende Kleinkunstliebhaber ist ganz gross, wenn es um das hiesige Kulturschaffen geht.