zmitz-Blogger Ruedi Stuber hat sich im Delly-Theater in Solothurn auf eine Lesereise mit Texten von Ernst Burren gemacht. Zuerst skeptisch, dann immer überzeugter.
Die wohl steilste Steintreppe in Solothurns Altstadt führt in das Delly-Theater, den winzigen Keller an der Gerberngasse Nr. 11. «D Wäut isch chli» ist angesagt, ein Abend im Rahmen des Zyklus Lesereise mit Silvia Jost und Hanspeter Bader. Sie lesen aus Texten von Ernst Burren.
Ich kenne Burrens Gedichte und Geschichten von Lesungen des Autors selbst und erwarte skeptisch, auf welche Weise die Texte heute Abend wohl aufbereitet sein werden. Meine Skepsis dauert kurz: Hanspeter Bader und Silvia Jost haben Burrens Monologe in eine szenische Lesung umgemodelt. Sie reihen die Texte in einer gelungenen Mischung locker hintereinander. Zäsuren markieren sie akustisch mit Glasmurmeln, die sie in verschiedenen Gefässen rollen lassen. Der lockere Fluss der Erzählenden wird begleitet vom mitreissenden Lachen der Leute im Keller, die sich mit Freude auf das Spiel einlassen. – Man spürt: Im Saal sitzen fast ausschliesslich Burren-Kennerinnen und -Kenner: wohl allesamt Burren-Fans.
Wohltuend, dass nicht nach jeder Pointe geklatscht wird. Das steigert den Spass am Burren’schen Skurrilitätenkabinett, das in der Folge abgeht. Man realisiert kaum, dass die meisten Geschichten, die hier im Dialog wiedergegeben werden, von Burren als Monologe geschrieben wurden. – Als Gestaltungsmittel lesen die Schauspieler identische Passagen gelegentlich zeitlich leicht versetzt. Das sind die einzigen Momente des Abends, wo sich die Beiden kurz anblicken.
Die Inhalte sind vielen vertraut: Da quakt der verstorbene Miggu nachts als Frosch im Teich und Voggenhuber nimmt Kontakt mit Toten auf; die Ehefrau stöhnt ergriffen, wenn sich Ronaldo breitbeinig zur Ausführung eines Freistosses anschickt oder die Fernsehübertragung vom eidgenössischen Trachtenfest wird akkurat vor dem Auftritt der Berner Delegation ausgeblendet.
Jost und Bader loten in Gestik und Stimmführung ihr Können aus und verleihen den Protagonistinnen und Protagonisten einen Habitus mit scharfen Konturen: Silvia Jost mimt mit Verve Entsetzen, sie faucht, gibt sich verbrämt, ergriffen oder hysterisch. Hanspeter Bader wirkt behäbig: ein selbstzufriedener Polterer, offen für Verschwörungstheorien − mal abgeklärt, mal beschwörend.
Hier liegt der Unterschied zu Burrens eigenen Lesungen: Er liest nüchtern und distanziert, stellt seine Person diskret hinter den Text. Damit verstärkt er den Kontrast zwischen Gesagtem und Gemeintem und hebt sanft den Vorhang über der kleinen Welt jener, die sich überall übergangen fühlen. «Uf üs lost jo sowieso niemer.»
Bei der Lesung im Theater Delly lassen die zwei Personen auf der Bühne ihre schauspielerischen Qualitäten spielen. Das Publikum geht voll mit und ergötzt sich am Engagement der Schauspieler.
Burrens Szenen ermöglichen einen Blick in kuriose private Winkel, wo in überraschenden Wendungen biedere Alltagssprache zu köstlichen Perlen der Mundartliteratur mutiert. Silvia Jost und Hanspeter Bader haben es geschafft, Ernst Burrens hochwertiges Rohmaterial in genussreicher Weise zu veredeln.
Ruedi, der heimliche Spiritus rector von zmitz. Denn es gibt nichts, was der längstjährige Kulturtäter und Musiker nicht kennt. Haben die Jungspunde im Team eine Idee, Ruedi weiss, wer mehr Infos hätte oder wen man einbeziehen sollte. Und im Zweifelsfall sind die damals auch bei ihm zur Schule gegangen. Der bekennende Kleinkunstliebhaber ist ganz gross, wenn es um das hiesige Kulturschaffen geht.