zmitz-Blogger Gianni Leardini hat sich kürzlich auf einen geführten Rundgang übers Attisholz-Areal begeben. Die Faszination für die Industriebrache war bei ihm schon immer da – bis zu jener denkwürdigen Information, die er erhielt.
Ich war schon immer fasziniert vom Attisholz-Areal, vor allem als es noch nicht so bevölkert war, und vor allem die Seite nördlich der Aare mit den grossen, stillgelegten Industriebauten. Umso mehr freute ich mich auf die organisierte Führung, die unter anderem auch Informationen zu den dort geplanten Wohnungen vermitteln wollte. Eine Info hat mir dann aber aufs Gemüt geschlagen und die Laune für diesen Tag nachhaltig verdorben. Riedholz zählt aktuell rund 2’300 Einwohner:innen; mit den neuen Wohnungen, die in Zukunft zusätzlich zu Gewerbe-, Gastro- und Kulturangeboten auf dem Attisholz-Areal entstehen sollen, wird sich diese Zahl langfristig ungefähr verdoppeln.
Ok, das hatte ich noch nie so gehört. Ich nehme das also zur Kenntnis und versuche es für den Rest der Führung zu ignorieren. Aber das ist halt so eine Sache mit dem berühmten Floh im Ohr: Er lässt dich einfach nicht in Ruhe, da kannst du machen, was du willst. Im Nachhinein habe ich den Anlass deshalb eher als eine der letzten Chancen empfunden, das Areal mit seiner aktuellen Atmosphäre zu erleben – ein gelungener Mix aus Zeitzeuge der Industriegeschichte, spannendem Unterhaltungs- und Kulinarik-Angebot, generationenübergreifendem Begegnungsort, Street Art, Graffiti und undefinierbaren Gerüchen, die uns in die Zeit der Cellulosefabrik zurückversetzen.
An der Führung ist zufällig auch ein ehemaliger Mitarbeiter der Fabrik dabei, bei seinen Geschichten merkt man ihm das Herzblut und die Identifikation mit seiner ehemaligen «Bude» an, das kann kein Geschichtsbuch so lebendig vermitteln (Kollegin Fatma hat übrigens letzten November etwas über das Oral-history-Projekt dort geschrieben). Es ist schon fast paradox, wenn man die bestellten Profi-Grafitti und die unzähligen, ebenso schönen illegalen Farbkunstwerke an den Wänden bewundert: Viele davon werden bald verschwunden sein – unter anderem auch das neue, riesige, unfassbar eindrückliche Mural von Dest (Philipp Tschanz), das seit kurzem das preisgekrönte, mindestens so phantastische Schildkrötenbild ersetzt. Ich denke kurz: Das gehört wohl zur Natur dieser Strassenkunst, sie ist nicht für die Ewigkeit gedacht. Egal, mich hat’s trotzdem nachdenklich gestimmt. Mit rund 2’000 Menschen, die irgendwann im Attisholz leben werden, und den zusätzlich dort geplanten Arbeitsplätzen wird das Areal seinen Charakter verlieren. Auf die Gefahr hin, als alter Sack und langweiliger Nostalgiker abgestempelt zu werden: Mich macht’s traurig.
Wer also den aareseitig nördlichen Teil des Attisholz-Areals noch in der heutigen Form bewundern will, muss sich schon fast sputen. Entweder individuell oder auf den Führungen, die man via eventfrog.ch buchen kann und Zutritt zu sonst gesperrten Gebäuden gewähren. Und als feinen Leckerbissen gibt’s dann vom 21. Mai bis am 29. Oktober 2023 auf dem Areal die Ausstellung «ATTISHOLZ 23 – Museale Retrospektive der an Ort entstandenen Kunstwerke». Die werde ich mir auf gar keinen Fall entgehen lassen!
Gianni ist Blogger der ersten Stunde. Er hat schon überall geschrieben und kommuniziert. Bei der Zeitung, für den ÖV, für Spitäler, fürs Vini, jetzt für die öffentliche Verwaltung im östlichen Nachbarkanton. Wieso also nicht für zmitz – wieder. Gianni trifft man immer und überall. Darum schreibt er auch über vieles. Und das durchaus auch mal mit kritischem Blick. Aber lässt sichs auch gut gehen, wenn ihm danach ist.