Bloggerin Fatma Kammer liebt es in das Attisholz-Areal einzutauchen. Vor kurzem hat sie dies sogar akkustisch gemacht – und so noch einen tieferen Zugang zu diesem speziellen Ort erhalten.
Überwältigt. Jedes Mal, wenn ich das Attisholz Areal betrete, bin ich das. Einfach überwältigt. Manchmal denke ich, dieses Areal ist so Vieles, es sollte eigentlich an einem anderen Ort sein. Vielleicht in einer Stadt mit internationalem Flair. Vielleicht in einem Land, das kein Risiko scheut und in dem eine Willkommenskultur herrscht. Das Areal würde viel besser in ein Irgendwo passen, für das ich noch keinen Namen hatte, bis ich letzthin wieder im Attisholz war. Im Nebel und in der Kälte des Novembers gefangen, machte ich die Audio-Tour.
An zehn verschiedenen Standorten lässt man mit dem Smartphone Leute zu Wort kommen, die in irgendeiner Weise mit dem Ort verbunden waren oder immer noch sind. Konzipiert und realisiert wurde die Tour vom Verein «Attisholz im Ohr».
Die Zuhörer sind mittendrin, wenn ehemalige Angestellte – in guten Zeiten gab es um die Tausend von ihnen – über ihre damalige Pausengewohnheiten sprechen oder wie sie beim Patron jeweils Ende Monat den Lohncheck abholen gingen. Man hört auch, dass der Ort nach der Schliessung der «Cellulose Attisholz» nicht ausstarb, sondern irgendwie am Leben blieb. Wie die ersten gastronomischen Versuche gestartet wurden und die Kunst, damit auch die Graffitis, ihren Platz fand.
Und viele andere Geschichten führen durch das Areal, als wäre man in einem riesigen Freilichtmuseum immer am Schauplatz des Geschehens. Ausser, dass die Besucher nicht nur Rentner oder Schulklassen sind. Im Gegensatz zum Musealen, wächst der Ort mit der Gegenwart und die Geschichten gehen weiter. Auf einmal wusste ich mitten in der Audio-Tour, woran mich das Attisholz-Areal erinnert hatte. Mit seinen Graffitis, seinem heruntergekommenen Schick, seiner Anziehung für Kulturschaffende und den unterschiedlichen Besuchern hat es was von Berlin.
Die Geschichten, die erzählt werden, haben vielleicht keine internationale Ausstrahlung, wie die in Berlin oder sind nicht so wichtig für das Weltgeschehen. Mit seiner Entwicklung und seinem Potential für mehr, kann das Attisholz-Areal aber locker mit einem Berliner Quartier mithalten. Dazu tragen vor allem die Schicksale, die an diesen Ort gebunden sind, bei. Im Attisholz-Areal habe ich ein Stück Berlin wiedergefunden und kann so die Suche nach dem Irgendwo beenden. Das Attisholz-Areal, mit den Menschen aus seiner Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, ist genau am richtigen Ort. Danke «Attisholz im Ohr» für diese Erleuchtung.
Die Audio-Tour kann über diesen Link zu Hause oder – viel besser – vor Ort gehört werden: https://izi.travel/en/8dc0-attisholz-im-ohr/de#06269820-dbec-4b3c-8089-f90e79f3ce89
Es lohnt sich zu jeder Jahreszeit.
Bei ihr liegen die Ideen für Texte oft wirklich «auf der Strasse»: Fatma hat ein unglaublich gutes Gspüri für spezielle Menschen und ihre Geschichten. Und sie macht sich viele Gedanken über das, was sie umgibt. Darum wird sie auf zmitz mit Sicherheit nicht nur über besuchte Anlässe berichten, sondern auch über unerwartete Begegnungen mit Street-Art, mit Strassenmusikern oder dem «Kunstschaffenden von nebenan» und erzählen, was ihr dabei so durch den Kopf geht.