Was ist für dich gute Kultur, wo geniesst du sie, wie sieht dein alltäglicher, allwöchentlicher Kulturkonsum aus, was hörst, liest, schaust du? Was hast du für Erinnerungen oder Pläne? Mit dem diesjährigen Kultürchen wollen wir «gluschtig mache» auf Kultur. Heute mit Peter Keller.

Dieser Herr Tourel!
Könnsch?
Wie? Du kennst ihn nicht? Echt jetzt?
Ein ausserordentliches Buch!

Nun, wenn der Schriftsteller und emeritierte Literaturprofessor Peter von Matt in seinen Vorlesungen auf ausserordentliche Bücher zu sprechen kam, etwa von Jeremias Gotthelf, Adalbert Stifter, Ingeborg Bachmann oder anderen, dann platzierte er hin und wieder folgenden Umkehrwitz. Er hätte sinngemäss gesagt: «Und wenn Sie zu denjenigen zählen, die Herr Tourel, eines der grossartigsten Bücher von Otto F. Walter, nicht kennen, dann…, dann kann ich nur sagen: Sie glücklicher Mensch! Was für unglaubliche Stunden haben Sie noch vor sich!»

Möglicherweise hat er diese Pointe auch mal auf «Herr Tourel» bezogen. Es ist wirklich ein sagenhaftes Buch. Es ist kein einfaches Buch, bestimmt nicht. Es ist ein spannungsgeladener Sprechgesang, geschrieben 1962, als Spoken Word erst am Entstehen und Rap noch nicht mal erfunden war. Gewisse Figuren und Orte, werden einem nie mehr aus dem Kopf gehen. Und – das ist wirklich selten – das Buch wird sogar noch spannender, wenn man es gleich zweimal hintereinander liest.

Von Matt hat mit seiner rhetorischen Volte gleichermassen dem Bildungsdünkel ein Schnippchen geschlagen, wie auch die Zuhörenden neben dem Literaturtipp mit einem Glücksversprechen beschenkt.

So wie es bereits beglückend sein kann, wenn jemand von etwas schwärmt, das man selbst nicht kennt, so wenig wichtig ist es, wenn man gewisse Schwärmereien nicht teilt. Zunächst geht es nur um dies: Geteilte Freude ist doppelte Freude. Aus diesem Grund liest Du ja auch diese Zeilen, aus diesem Grund lesen wir zmitz!

Doch wo begegnet man sonst noch der geteilten Kulturfreude? Zum Beispiel in der Musikzeitschrift «loop». Damit komme ich zu einem Tipp für Tipps. Das dünne Low-Budget-Heft erscheint monatlich und liegt in einschlägigen Kulturlokalen sowie in ausgewählten Gastrobetrieben gratis auf – ausserdem kann man es abonnieren (loopzeitung.ch). Die Zeitschrift enthält Besprechungen von Neuerscheinungen und Hinweise auf Konzerte aus der alternativen Musikszene. Da schreiben erfahrene Musikliebhabende persönlich gefärbte Empfehlungen und teilen mit uns ihre Begeisterung. Das geschieht ganz ohne Algorithmen, sie wählen aus, was ihnen aufgrund ihrer Kennerschaft wichtig ist. Das geschieht mitunter sehr emotional und ist oft ansteckend – ich kann «loop» wärmstens empfehlen.

Peter Keller ist Historiker und Kulturvermittler. Seine Kulturtipps findest Du in den beiden Kulturkapiteln in der Kantons- und Stadtgeschichte, die er geschrieben hat. Ausserdem ist er für das Programm der Kulturnacht und der Töpfergesellschaft mitverantwortlich. Nicht durchwegs ernst gemeinte Kulturtipps gibt er an Discos als DJ Mr. P mit seiner 7’’-Singlesammlung.