Was ist für dich gute Kultur, wo geniesst du sie, wie sieht dein alltäglicher, allwöchentlicher Kulturkonsum aus, was hörst, liest, schaust du? Was hast du für Erinnerungen oder Pläne? Mit dem diesjährigen Kultürchen wollen wir «gluschtig mache» auf Kultur. Heute mit Pipo Kofmehl.
Ich wuchs im äussersten Zipfel des Wasseramts auf, fern ab und behütet. Später dann Oberstufe im grossen Derendingen. Hier fand ich beste Freunde. Wir hingen zusammen ab, in Wasserämter Beizen, Schützen-, Waldhäusern und an der Emme! Immer dabei hatten wir den Ghetto-Blaster, unser gemeinsamer Nenner war die Musik. Irgendwer hatte immer eine Mix-Kassette mitdabei, die nächtelang auf und ab gespielt wurden, bis sie ausleierte.
Wir hörten Punk, von Hosen bis Motörhead. Dann kamen die Skateboards dazu und schliesslich entdeckten wir Punk-Rock, Bad Religion bis NOFX. Als das Herumhängen langweilig wurde, tingelten wir von Konzert zu Konzert durchs Wasseramt, nach Big-City Solothurn und dann durch die ganze Schweiz! Wir hatten nie Geld, aber immer viel Lust auf Konzerte. Ende der 80er musste man sich oft auf Mund-zu-Mund Propaganda, Intuition und gut klingende Bandnamen verlassen. Internet war nicht mal’ne Vision. So glichen unsere Touren oft Odyseen mit ungeahntem Ausgang.
Mit ungefähr 20 Jahren und Monaten des Sparens, verbrachten Andy B, Toni und ich ein verlängertes Wochenende in London. Wir kamen an, uns wurde das «Whats On» in die Hände gedrückt und wir realisierten, dass wir uns im musikalischen Schlaraffenland befanden. Mehrere Konzerte an einem einzigen Tag: Das kannten wir nicht. Daheim gabs paar Konzerte pro Monat. Wir entschieden noch in London: Das wollen wir auch! Zurück in Solothurn fanden wir über 57 Ecken einen Raum im alten Teil der Glutz AG an der Dammstrasse 59. Irgendwann 1993 oder 1994 veranstalteten wir unser erstes Konzert – Band: entweder «Siebenthal» oder «Good Shave the Queen» (wir wissens nicht mehr so genau). Wir nannten den Raum «Creep Club» und öffneten anfangs, wenn wir gerade Lust und Zeit hatten. Er entwickelte sich und 1997 spielten sogar unsere Punk-Rock-Helden aus Schweden «No Fun At All» & «Millencolin» (wir waren so nervös, dass es bis heute nachhallt). Aber auch der Vermieter kam immer wieder und knallte uns 1998 definitiv raus.
An einem nebligen Herbstabend 1998 pilgerten wir daher zu unserer ärgsten Konkurrenz, der Kulturfabrik Kofmehl. Bisher hatten wir eher widerwilligen Austausch (Programm-Absprachen seit 1994, was quasi die Geburtsstunde des Solopools war). Es herrschte Rivalität, wie sie im Büechli steht. Doch die erste Betreiber-Generation der Kulturfabrik war am Auseinanderbrechen. Nach vielen Gesprächen und noch mehr Dramen, kam es im Sommer 1999 zur Fusion zwischen dem Verein «Creep» und Verein «Zwischenraum» (Betreiberverein Kulturfabrik Kofmehl) und mit Creep-Appeal ging es weiter. 2001 erhielten wir die kantonale Auszeichnung für Kulturvermittlung und 2002, mit der Annahme der Bobbahn (Westumfahrung) die Kündigung durch den Inhaber der Kulturfabrik Kofmehl (heute steht dort übrigens ein Wald). Wir hatten eigentlich keine Chance, keine finanziellen Mittel, aber viel Lust und Herzblut!
Es entwickelte sich eine ungeahnte Dynamik, die ermöglichte, was bis dahin absolut undenkbar war. Mit vereinten Kräften (Kanton, Stadt, Gemeinde, Bevölkerung und wahnsinnig vielen total Engagierten) öffnete am 21. April 2005 die nigelnagelneue, eigens gebauten Kulturfabrik Kofmehl ihre Tore. Heute, gut 20 Jahre, später blubbert das Haus mehr denn je! Zwei Millionen Besuchende, 8000 Bands 32000 Künstler:innen und Kulturschaffende spannen einen bunt gefächterten Kulturbogen um unseren Horizont auf wunderbare Art und Weise zu erweitern und die Welt in Solothurn als Gast zu begrüssen.
Einfach weil wir Fän sind – einfach weil wirs wichtig finden!
Pipo Kofmehl, geboren 1972, wohnt mit seiner Familie in Solothurn. Er hat zusammen mit Freunden 1993 den Creep Club! gegründet. Heute ist er Leiter der Geschäftsstelle der Kulturfabrik Kofmehl, Präsident vom Betreiberverein Creep und Vize-Präsident der Stiftung zur Förderung der Jugendkultur im Kanton Solothurn (Inhaberin der Kulturfabrik Kofmehl)! Er war 1994 Mitgründer von Solopool – dem Verband der Solothurner Kulturinstitutionen. Kultur begleitet ihn mehr als ein halbes Leben.