Was ist für dich gute Kultur, wo geniesst du sie, wie sieht dein alltäglicher, allwöchentlicher Kulturkonsum aus, was hörst, liest, schaust du? Was hast du für Erinnerungen oder Pläne? Mit dem diesjährigen Kultürchen wollen wir «gluschtig mache» auf Kultur. Heute mit Fatma Kammer.

Wenn ich ehrlich bin, war es keine Liebe auf den ersten Blick – auch nicht auf den zweiten oder dritten. Ich weiss nicht, wie viele Begegnungen nötig waren, um das Feuer zu entfachen. Aber als es schliesslich brannte, war klar, dass es so schnell nicht erlöschen würde.

Als Teil der MTV-Generation war ich geprägt von lauten, schnellen Schnitten und perfekten Dialogen. Es fühlte sich an wie jemand, der sich jahrelang von Fast Food ernährt und frische Ananas verschmäht, weil die aus der Dose süsser schmecken. So erging es mir mit dem Theater.

Bis ich irgendwann, ich kann nicht genau sagen wann, langsam begriff, was auf der Theaterbühne vor sich ging. Dort waren Menschen. Wahrhaftig, lebendig, gegenwärtig. Das war intensiver als jedes 3D-Kinoerlebnis, erweitert durch Virtual- und Augmented-Reality. Die Schauspieler waren im selben Augenblick präsent, wie wir Zuschauer. Kein Schleier einer Leinwand, kein Imitieren von Tönen durch Verstärker. Echte Menschen versuchten echte Gefühle zu vermitteln. Jeglicher technische Schnickschnack, so hochentwickelt er auch sein mag, hat da das Nachsehen.

Und dieses Erlebnis ist nur ein paar Schritte von meiner Haustür entfernt im TOBS. Ein Universum, in dem Geschichten auf eine kleine Bühne gebracht werden, das grösser ist als jedes Kinoerlebnis – sorry, Forrest.

In die aktuelle Saison dieses Universums bin ich mit «Orlando» eingetaucht. Meine Kenntnisse darüber vor dem Besuch waren bruchstückhaft, beschränkt auf flüchtige Social-Media-Posts, die mehr an der Oberfläche kratzten, als wirklich informierten:

«Isch das nid das Stück vor Virginia Woolf?»

«Isch doch das, wo er zur Frau wird oder umgekehrt?»

«Isch doch verföumt worde?»

Ich muss zugeben, dass ich nach dem Besuch des Stücks nicht viel mehr wusste, aber das, was ich nun weiss, ist bunter und vielfältiger, gebunden an ein Erlebnis. Es war wie der Moment im Stück, als ein Monolog lebendig wurde und aus Tüchern eine Puppe entstand, die direkt auf das Publikum zu schauen schien.

In der aktuellen Saison werden sporadisch Nachbesprechungen nach dem Stück angeboten. Das anschliessende Gespräch zu «Orlando» – mit dem Regisseur und den Schauspielenden – liess die Entstehung lebendig werden. Fast wie ein Schwangerschaftstagebuch, das die verschiedenen Stadien bis zur Geburt festhält. Man möchte am liebsten wieder dabei sein, wenn das Kind an einem vorbeiläuft.

 

Abgesehen von den grossen Themen des Lebens – Familie, Freunde, Schlaf – gibt es nicht viel, worauf ich stolz sein kann. Der Besitz eines Theaterabos und die Vorfreude darauf gehören nun zu meinen grossen Themen. Auch wenn der Schlaf vor oder während der Besuche vielleicht dazwischenfunken sollte: #metoo_lovetheater.

 

Fatma Kammer ist Sek-Lehrerin in Solothurn, bloggt seit einigen Jahren bei zmitz mit und sieht ihren Bezug zur Kultur so: «Eigentlich habe ich nichts mit Kultur zu tun. Ich kann nicht zeichnen, singen, modellieren oder tanzen. Für alle, die das können, hege ich grosse Bewunderung. Und manchmal kann ich diese Bewunderung so beschreiben, als wäre ich selbst ein Teil dieser Kultur.»