Was ist für dich gute Kultur, wo geniesst du sie, wie sieht dein alltäglicher, allwöchentlicher Kulturkonsum aus, was hörst, liest, schaust du? Was hast du für Erinnerungen oder Pläne? Mit dem diesjährigen Kultürchen wollen wir «gluschtig mache» auf Kultur. Heute mit Myriam Brotschi Aguiar.

Der Raum ist in sanftes Licht getaucht, vorne, beim Erkerfenster steht ein ausladender Sessel, daneben ein Bücherstapel und dahinter ein gut gefülltes Büchergestell. Acht Stühle sind um den grossen Tisch in der Mitte des Raumes angeordnet, aus der Teekanne steigt Dampf empor, Leckereien aller Art laden zum Zugreifen ein, Datteln, Crackers, Butterstengel und dunkle Schokolade… Das ist der Rahmen, in dem einer meiner liebsten Kulturgenüsse stattfindet. Es wird kein Eintritt erhoben, nicht geklatscht und nicht gejohlt, hinzugehen erfordert kein spezielles Outfit, nur eines sollte man im Gepäck haben: ein Buch. Denn einmal im Monat treffen sich die LESELUSTIGEN, Mitglieder der Literarischen Gesellschaft Grenchen, zum – natürlich literarischen – Stelldichein. Eine Art Literaturclub, ohne Kameras, ohne Publikum und ohne prominente Runde, aber mit Frauen (sorry liebe Herren, aber leider hat sich noch nie ein Mann blicken lassen), die mit Kopf und/oder Herz ein Buch vorstellen, das sie bewegt, berührt, angeregt oder auch genervt hat. Und es gibt so vieles, was diese Abende in trauter Runde in mir auslösen.

Da sind einmal die sorgfältig ausgewählten Bücher und deren gescheite Einordnung. Diese macht es mir leicht, zu entscheiden, ob es das vorgestellte Buch auf die Endlosliste meiner Bücher, die ich in der nahen oder ferneren Zukunft lesen will, schafft – oder eben nicht. Aber vor allem sind es die Gespräche, welche die Bücher auslösen und dank derer sich mir manchmal völlig neue Perspektiven auftun. Wir tauchen tief in die Literatur ein, nur um an einem ganz anderen Ort wieder aufzutauchen. Denn die ausgewählten Bücher stehen immer auch in einem Bezug zum Menschen, welche diesen Stoff als empfehlenswert empfindet.

Was war der Antrieb, dieses Buch zu wählen? Wie hat es den Weg zu ihr gefunden? Was ist es, was uns 1000 Seiten lesen lässt? Und diese Gespräche, ach diese Gespräche … Sie sind mir so wertvoll geworden, denn sie bringen mir nicht nur Autor:innen näher, sondern sie bringen mir auch die Menschen, die am Tisch versammelt sind, näher. Man zeigt sich, offenbart sich, verrät etwas über sich: Ideale, Meinungen, moralische Grundsätze, die Haltung gegenüber der Gesellschaft, der Politik, der Liebe. Das will nicht bedeuten, dass wir uns ausschliesslich in Minne austauschen. Häufig, nein fast immer gibt es auch Momente, in denen es hitzig zu und hergeht. Dann fliegen die Aussagen über den Tisch und sie könnten kontroverser nicht sein, wir fallen einander ins Wort, gelangen vom Hundertsten ins Tausendste und ja, es ist auch schon vorgekommen, dass die Verabschiedung etwas kühler als die Begrüssung ausfiel. Aber das verraucht.

Was bleibt, ist die Literatur als verbindendes Element, sind wertvolle Gespräche über Bücher, Lesetipps über Autoren, die ich bisher nicht kannte und ein Format, das sich auszubreiten beginnt. Denn genauso wichtig wie die Abende selbst, sind die Zusammenfassungen, die darübergeschrieben werden und nicht nur in den Sozialen Medien nachzulesen sind, sondern seit kurzem auch ihren Weg als ausgesuchte Lesetipps in den Bücher Lüthy in Grenchen geschafft haben.

Infos zu den Leselustigen findet man hier.

Myriam Brotschi Aguiar: Werbetexterin, PR-Journalistin, zmitz-Bloggerin, Autorin oder ganz einfach Wortfetischistin, born and raised in Grenchen, zurzeit wohnhaft in Biel. Was mir Kultur bedeutet: Literatur, bildende Kunst, Film und Musik sind die formenden, bildenden, erheiternden, beglückenden und tröstenden Lichtblicke in meinem Alltag, Momente, die Menschen jeglicher Couleur zusammenfinden lassen und sollten sie zu keiner Einigkeit finden, dann setzen sie sich zumindest gemeinsam auseinander.