Das diesjährige Kultürchen ist eine Fortsetzungsgeschichte, ein Schreibexperiment sozusagen. Teil 18 geschrieben hat Svea Haugwitz, die Illustration dazu ist von Melanie Caroline Wigger.
«Die schickt der Himmel», denkt Nadja als sie den Wein einschenkt. Nach so einer verrückten Nacht ist sie froh, nicht mit Samuel allein sein zu müssen. Sie ist immer noch verwirrt, was sie da alles zusammengeträumt hat mit dem sprechenden Fuchs. Und was hatte Samuel erzählt von einem Engel und einer Schwangerschaft? Oder hatte sie das auch nur geträumt? Doch sie sieht noch so deutlich seinen gerührten Blick…
«Regarde, ich habe Filou ein paar Kunststücke beigebracht», kichert Marie-Louise und beugt sich zu dem Rauhaardackel herunter: «Filou: attrape la queue!» Der Hund bellt einmal munter und beginnt dann tänzelnd sich im Kreis zu drehen, immer dem eigenen Schwanz hinterher. Nadja lacht laut auf. «Mein neues Hobby. Hab’ ja sonst nichts zu tun», meint Marie-Louise und seufzt: «‹Toutes les grandes passions se forment dans la solitude.›» «Jean Jaques Rousseau», brummt Samuel, der bislang nur angespannt am Tisch gesessen und immer wieder zum Schlafzimmer geschielt hatte. Nun räuspert er sich: «Maman, nichts für Ungut, aber kannst du mit dem Hund schon mal zur Jesuitenkirche vorgehen? Ich muss noch etwas mit Nadja besprechen. Weihnachtsüberraschung und so.» Und ohne eine Antwort abzuwarten nimmt er Nadja bei der Hand, zieht sie ins Schlafzimmer und die Tür hinter ihnen zu, hechtet zum Nachttisch und drückt Nadja das Couvert in die Hand. «Mach es auf. Sofort», platzt es aus ihm heraus. Verwundert öffnet Nadja das Couvert. Das Wappen von Le Landeron erscheint oben links in der Ecke. Darunter Absender: Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde. Dann der Betreff: Suche nach einem geeigneten Vormund.
Svea Haugwitz ist Dramaturgin für Schauspiel und Puppentheater. Seit 2019 lebt sie in Solothurn und arbeitet dort als Schauspieldramaturgin am Theater Orchester Biel Solothurn.