Das diesjährige Kultürchen ist eine Fortsetzungsgeschichte, ein Schreibexperiment sozusagen. Teil 6 geschrieben hat Mirjam Staudenmann, die Illustration dazu ist von Melanie Caroline Wigger.

«Öuf Weihnachtsengel seid ihr also», äffe ich den Solothurner Weihnachtsengel nach. Das «ö» betone ich mit übertrieben geformten Lippen. Diesen Dialekt habe ich noch nie verstanden. In Le Landeron, wo ich aufwuchs, war mir das Schweizerdeutsch nicht fremd. Jedoch war es das Berndeutsch, das die Zihl vom gegenüberliegenden Ufer ins Neuenburger Städtchen trug. Den Solothurner Dialekt lernte ich erst durch Nadja kennen und in unseren Auseinandersetzungen merkte ich schnell, dass mein «voilà» ihr «ebe» ist und trotzdem nicht der einzige Grund, warum wir einander nicht verstehen.

In einem unserer ersten Streite hat mir Nadja einmal lachend die Hände entgegengestreckt und mir gesagt, wir sollten uns vertragen, schliesslich hätten sich unsere Gemeinden im 15. Jahrhundert in einem Bündnis tapfer gegen den Berner Einfluss gewehrt. Ich merke, wie mir der Gedanke einen Stich versetzt. Hier in der Kälte ist von dem Verbindenden einer Partnerstadt wahrlich nichts mehr spürbar.

«Achtung!», höre ich plötzlich eine Stimme neben mir. Der Kofmehl-Engel reisst an meinem Arm und mich aus den Gedanken. Ich weiche zurück und ein Fahrrad dem Crash mit mir aus. Ein Fahrrad? Ich muss diesem Blödmann gedankenversunken aus dem Wald gefolgt sein.

«Wo hast du mich hergebracht?», frage ich.

 

Mirjam Staudenmann ist zmitz-Bloggerin der ersten Stunde. Sie ist Primarlehrerin in Pieterlen.

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