Das diesjährige Kultürchen ist eine Fortsetzungsgeschichte, ein Schreibexperiment sozusagen. Teil 3 geschrieben hat Gianni Leardini, die Illustration dazu ist von Melanie Caroline Wigger.

Die dichten Bäume erinnern mich plötzlich an die ersten drei Verse von Dantes «Göttlicher Komödie»: «Auf halbem Wege unseres Lebens fand ich mich verirrt in einem dunklen Walde, weil ich den rechten Pfad verloren hatte.» Bin auch ich an dem Punkt angelangt, den man in der Stammtisch-Psychologie Midlife crisis nennt? Würde auch ich durch Hölle, Fegefeuer und Paradies gehen müssen, um die Erleuchtung zu erlangen? Mich schaudert es beim Gedanken an die Inschrift über Dantes Tor zur Hölle: «Lasst, die ihr eingeht, jede Hoffnung fahren!» Ich schüttle das ungute Gefühl ab, auf den Schauder folgt der Trotz: Das hier ist nicht Literatur, sondern Realität. Mein Problem ist aus Fleisch und Blut und hat einen Namen: Nadja!

Erwartungen und Bedingungen – die Wurzel allen Übels. Keine Erwartungen, keine Bedingungen – die Zauberformel für eine glückliche Beziehung. Ich will frei sein, unabhängig. Wer das nicht akzeptiert, soll zu Dantes Hölle fahren! So einfach ist das. Oder doch nicht?  Warum kommt mir gerade jetzt wieder dieser verdammte Spruch in den Sinn? «Die Unabhängigkeit, die meine Stärke ist, bedingt die Einsamkeit, die meine Schwäche ist.»

Weihnachten hatte den Mist nur zum Eskalieren gebracht, schon viel früher hatte sich der nahende Sturm angekündigt. Wie damals, als ich ans Meer wollte und sie in die Berge. Ich sehe noch genau das Bild vor mir, wie ich am Strand liegend den Wellen zuschaue und genüsslich an meinem Negroni nippe. Sie beschwerte sich über den Wind und den lästigen Sand überall und rieb mir schmollend ein Zitat von Kant unter die Nase: «Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo die Freiheit des Anderen beginnt.» Das hatte ich nie verstanden. Sie hätte ja nicht mitkommen müssen. Ich hätte sie nicht weniger geliebt.

Diese Gedanken haben mich nicht aufgewärmt. Ich muss mich bewegen, sonst erfriere ich hier noch – was sie mir sogar nach meinem Tod als Bestätigung meiner Sturheit unter die Nase reiben würde. Moment! Was ist sind das für komische Geräusche? Ein Mensch? Ein Tier? Wieder läuft es mir kalt den Rücken runter, diesmal nicht wegen Dante.

 

Giovanni Leardini ist zmitz-Blogger der ersten Stunde. Er ist Leiter Kommunikation im Departement für Bau, Verkehr und Umwelt des Kantons Aargau.

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