Müslüm ist ein Phänomen. Das hat der «Integratör» auch bei seinem Auftritt im «Kofmehl» in Solothurn wieder bewiesen. Perfekte Unterhaltung und gute Musik mit tiefschürfenden Botschaften.

Man kann von dem Jungen halten, was man will. Aber eines schafft nur Semih Yavsaner alias Müslüm: Dass das versammelte Publikum in der fast vollen Kofmehl-Halle – in der Mehrheit Eidgenossen– den Refrain seines Lieds «Orang Utan» singt: «Ich bin ein Ausländer, eine Immigrant. Weit weg von der Heimat, in einem fremden Land.» Seit seinem Auftritt vom letzten Freitag im Kofmehl liebe ich ihn. Seine Musik ist nicht extrem anspruchsvoll, aber der Mix aus Pop, orientalischen Klängen und Reggae-Rhythmen geht direkt in die Beine. Wer da nicht mindestens mitwippt, ist ein verklemmter Pflock und hat an einem Müslüm-Konzert (eigentlich auch an keinem anderen) etwas zu suchen.

Mir war der bunte Typ vor allem wegen seinen SVP-Stahlhelmfraktion- und Rassistenkritischen Songs bekannt, wie etwa im Lied «Samichlaus»: «Tag Herr Mörgeli haben sie den heute keine Sörgeli. … Grüezi, grüezi miteinander ich bin der Samichlaus, ich schaffe alle…, schwarzen Schöfli aus.» Hier ist er unübertroffen. Er reitet genüsslich auf übertriebenen Ausländer-, Türken- und Balkan-Klischees rum und hält dem Publikum so den Spiegel vor. Das Ganze dann noch garniert mit ein paar schlüpfrigen Witzen («Der Urologe hat mir gesagt, ich soll mit dem Onanieren aufhören. Ich frage, warum und er: Weil ich dich sonst nicht untersuchen kann.»), und das Bild vom Macho-Südländer ist perfekt – wobei die Eltern ihren recht zahlreich anwesenden Kindern die Ohren zuhalten.

Er bezeichnet sich selber als «Integratör» mit C-Ausweis, und als Hobbys nennt er «Provosiere! Liedli Singen! Attachiere!». Das gelingt ihm immer wieder auf so unterhaltsame Weise, dass seine eigentlich sehr kritischen Botschaften leicht untergehen. In seinem neuen Album «Apochalüpt» bringt er ein zusätzliches Thema: Die Social-Media-süchtige und immer realitätsfremdere Gesellschaft. Während des Konzerts klaut er mehrmals den Leuten in der ersten Reihe das Handy, mit dem sie gerade am Fotografieren oder Filmen sind. Eine junge Frau bringt er dazu, ihren Freund zu küssen, statt ständig in ihr Smartphone zu starren. Die Botschaft: «Streichelt eure Freundin statt euer iPad!» Und: «Die Liebe verbindet uns, nicht Sunrise oder Orange.»

Gianni ist Blogger der ersten Stunde. Er hat schon überall geschrieben und kommuniziert. Bei der Zeitung, für den ÖV, für Spitäler, fürs Vini, jetzt für die öffentliche Verwaltung im östlichen Nachbarkanton. Wieso also nicht für zmitz – wieder. Gianni trifft man immer und überall. Darum schreibt er auch über vieles. Und das durchaus auch mal mit kritischem Blick. Aber lässt sichs auch gut gehen, wenn ihm danach ist.