Seit dem Herbst 2023 hat die Kulturstadt Solothurn einen neuen Tourismusdirektor. Unsere Bloggerin Lucilia Mendes von Däniken hat sich mit Bernhard Christen getroffen um herauszufinden, welchen Stellenwert für ihn persönlich die Kultur hat – und wo er deren Stellenwert für die Tourismusregion sieht.

Lieber Bernhard, was bedeutet für Dich Kultur?
Bernhard Christen: Für mich ist Kultur «gelebte Tradition» – und im konkreten Falle ist es die Schönheit unserer Stadt, inszeniert in einem gemeinsamen Erlebnis. Meiner Meinung nach wird der Begriff Kultur aber –im Zusammenhang mit Solothurn – oft etwas zu eng, zu intellektuell und zu elitär wahrgenommen. Dabei ist unser Kulturangebot so reich, so vielfältig, so offen für alle möglichen Sparten.

Wo geniesst du persönlich Kultur in Solothurn?
Seit ich wieder in der Altstadt arbeite, hat für mich der Bereich der Esskultur sehr an Bedeutung gewonnen. Mich fasziniert es immer wieder, zu spüren, wie die Stadt auch werktags lebt. Samstags trifft man mich zudem auf dem Markt an. Jobbedingt finde ich jetzt aber auch vermehrt den Zugang zur klassischen Kultur. Sei es im TOBS oder im Konzertsaal: Ich habe grossen Respekt vor der Ernsthaftigkeit des Engagements, welches die Kunstschaffenden und die Veranstaltenden an den Tag legen.

Was bedeutet für Dich als Tourismusdirektor Kultur?
Sie ist ein dankbares Marketinginstrument für die Positionierung der Stadt und für die Kommunikation. Alleine schon das Label «schönste Barockstadt» trägt viel Kultur und Einzigartigkeit in sich. Keine andere Stadt würde sich «zweitschönste Barockstadt» nennen. Nur schon ein Spaziergang durch unsere Altstadt ist eigentlich ein Kulturausflug. Solothurn ist eine grosse Bühne, mit einer unglaublichen Kulisse. Eine Bühne, die aber gerne noch mehr bespielt werden darf.

Welchen Stellenwert haben die Kleinkunst und die Subkultur?
Einen enorm hohen. Unsere Stadt lebt nicht nur von den grossen Events. Diese finden nur an ein paar wenigen Tagen pro Jahr statt. Die Besucher erleben zum Beispiel dank der Filmtage gerade in einer sonst eher ruhigen Zeit Solothurn als belebte Stadt, wo Kultur eine wichtige Rolle spielt. Würden sie später mal wieder nach Solothurn kommen und die Stadt wäre leer, ohne spannendes Kulturangebot, dann wäre das schlechte Werbung für die «Kulturstadt». Wir brauchen also die kleinen Player, welche die Stadt beleben und mit ihrer Vielfältigkeit dafür sorgen, dass Solothurn den kulturhungrigen Gästen das ganze Jahr über etwas zu bieten hat.

Wie wichtig ist die Kultur für den Tourismus – und wie kann man die Wertschöpfung, die aus kulturellen Anlässen entsteht, messen?
Während der Filmtage spricht die Hotelauslastung eine klare Sprache: Wir haben eine volle Auslastung – und zwar zu bestmöglichen Preisen. Der Langzeiteffekt ist aber nicht ganz fassbar: Um diesen beziffern zu können, müsste man regelmässig sehr umfangreiche Studien machen. Was wir aber nicht vergessen dürfen: Tourismus beschränkt sich nicht nur auf Auswärtige. Es ist wichtig, dass wir auch den Einheimischen die Stadt Solothurn als lebenswerten Raum schmackhaft machen. Ist der Landhausquai bei schönem Wetter belebt, ist das Gastronomieangebot attraktiv und lockt das Kulturangebot Menschen aus unserer Region in die Stadt, dann gibt das ein Bild von einer lebenswerten, pulsierenden Stadt. Dieses Pulsieren müssen wir vermehrt noch nach aussen tragen können. Solothurn soll als Reiseziel auf die Bucketlist vieler Menschen kommen.

Wo siehst du denn betreffend der Kombination von Kultur und Tourismus Knackpunkte, wo Potenzial?
Bald tut sich ein Kapazitätsproblem auf: Das Besenval steht noch zum Verkauf und ist darum ab 2025 nicht buchbar – und das Landhaus wird bald renoviert. Da fehlen viele grosse, wichtige Räume an bester Lage. Dadurch müssen zum Beispiel die Literaturtage auf andere Räumlichkeiten ausweichen, was wiederum anderen Nutzern die Möglichkeit nimmt, Veranstaltungen durchzuführen. Allgemein hat die Stadt von der Kapazität her ihre Grenzen bald erreicht. Doch Potenzial sehe ich auch ausserhalb der Stadtmauern: Das Attisholz und das Riverside sind schöne Beispiele. Aber auch in Derendingen entsteht an der Emme ein neuer Ortsteil, der Raum für Kultur und Genuss bietet. Zusammen mit dem Museum «Technikwelt Enter» gibt das eine schöne Kombination.

Was wünscht du dir für die Kulturstadt Solothurn?
Ich freue mich auf die anstehende Kulturnacht und hoffe, dass viele Kulturgänger:innen das Angebot nutzen. Aber meiner Meinung nach dürfte Kultur noch etwas mehr mitten in der Stadt sicht- und spürbar sein. Einige Player machen das schon ganz gut: Anlässlich der Literaturtage gibt es Lesungen im öffentlichen Raum, die Teilnehmenden der Barocktage mischen sich unters Volk und veranstalten schon mal mitten im Samstagsrummel einen Fechtkampf. Und wenn in zwei Wochen die «Solocon» in der Rythalle durchgeführt wird, wird die Stadt kurz bunter und etwas verrückt. Auch das tut gut. Aber da geht noch viel mehr. Das Stadtfest ist zum Beispiel eine grosse Chance, die Kultur wieder mehr in die Gassen zu holen. Kultur muss zugänglich sein – für alle Menschen und für alle Sinne. Meine Vision wäre, dass die Solothurner Architektur, Gastronomie und das kulturelle Angebot so verschmelzen, dass man unsere Stadt mit dem Begriff «savoir vivre!» gleichsetzt – purer Lebensfreude.

Ohne Lucilia wäre zmitz nicht zmitz. Denn im Jahr 2014 gründeten sie und Fabian den Kulturblog, um die vielseitige Kultur rund um Solothurn strahlen zu lassen. Aus langjähriger beruflicher Tätigkeit und purem persönlichem Interesse kennt sie die Kulturbetriebe der ganzen Region und denkt immer eine Nasenspitze weiter. Sie ist aber nicht nur Co-Leiterin der Redaktion, sondern auch Vizepräsidentin des Vereins zmitz.