zmitz-Blogger Ruedi Stuber war am Morgen des samstäglichen Mundarttags* mit von der Partie, als sich die verschiedenen Vertreter der Dialekte im Kantonsratssaal zu Solothurn trafen. Wie es ihm, seines Zeichens selbst Mundart-Kenner und Liedermacher, gefallen hat, lest hier hier.

Aufgeräumt und in frühlingshaftem Grün kommt sie daher, die Webseite des Vereins mundartforum, welcher sich früher «Verein Schweizerdeutsch» nannte. Neu stösst 85 Jahre nach der Gründung die Regionalgruppe Solothurn zum mundartforum. Anne-Regula Keller, Forum-Vizepräsidentin aus Solothurn, hat sich mächtig ins Zeug gelegt, um der neuen Regionalgruppe, dem Solothurner Mundartverein, einen würdigen Taufakt («Auftakt» hätte hier auch gepasst 🙂 ) zu bescheren. Präsident des jungen Vereins ist Vinzenz Wyss, Professor für Journalistik an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften und Bürger von Günsberg.

Rund 50 Personen folgten der Veranstaltung, die in Form von Lesungen sieben verschiedener Regionalgruppen im Solothurner Kantonsratssaal stattfand. Als «Juniorenabteilung» bezeichnete der Basler Vertreter Stefan «Steffi» Lüthi (im Bild) schelmisch und selbstironisch seine beiden Vorredner vom Verein Züritüütsch. Neben der Berner Vertretung, – die allerdings erst später eintraf – fielen die beiden wohl 40-Jährigen Zürcher durch ihre Jugendlichkeit auf. Lüthis Bemerkung illustrierte das Problem der Überalterung, unter der das mundartforum leidet. Bereits vor fünf Jahren, beim 80-Jahr-Jubiläum in Greifensee, war das ein Thema. Man könnte meinen, die Generation der Jungen hätte die Mundart noch nicht für sich entdeckt. Doch dem ist nicht so. Positiv fällt auf: Der Vorstand des mundartforums kommt verjüngt daher. Dennoch kommt der Verein nicht darum herum, nach jüngeren Mitgliedern Ausschau zu halten, sonst dürfte das 100-Jahr-Jubiläum gefährdet sein.

Gemäss den Statuten wirkt «das mundartforum «…. als Dachverband und Netzwerk für dialektinteressierte und dialektpflegerische Gruppierungen in der Deutschschweiz». Wer mitverfolgt, was in der aktuellen Schweizer Mundartszene läuft, wundert sich über das mangelnde Interesse am Forum: Radio SRF verfügt über eine aktive und rührige Mundartredaktion. Poetry Slam-Anlässe sind unter Jugendlichen landauf-landab ein Renner. Mundartrap hat enorme Zugriffszahlen auf Spotify. Anlässe wie das Mundartfestival Arosa lassen Dialekte in den verschiedensten Textgattungen zu Wort kommen, das Liedermacher-Treffen Château Chanson auf Schloss Waldegg ist jedes Jahr ausverkauft. Und nicht zu vergessen: Mundart ist auch an den Solothurner Literaturtagen en vogue. Ketzerisch – exgüsé – sei die Frage erlaubt, ob dialektinteressierte und dialektpflegerische Gruppierungen nicht vermehrt die kulturellen Anlässe von Dialekt-Aktivist:innen besuchen sollten. Denn dort passiert doch exakt das, was die Statuten des mundartforums anstreben.

Es wäre unhöflich, die Textvorträge im Kantonsratssaal ins Lächerliche zu ziehen. Darunter war viel Amüsantes: Wenn die Vertreterin der Walservereinigung von Graubünden Figaros Hochzeit im Stadttheater aus einem bäuerlich-ländlichen Erfahrungshorizont heraus kommentiert und meint, «die Weiber haben immer zu hoch gesungen» ist das für mich Humor vom Feinsten. Doch ich bedauerte, dass am Anlass praktisch nur «Interpretationen» zu hören waren. Eindrücklicher ist es allenthalben, wenn man «Kreationen» zuhören kann. Weniger gestelzt ausgedrückt: Bei der Kreation ist die (vor-) lesende Person zugleich die AutorIn.

Für einen erfrischenden Höhepunkt im Kantonsratssaal sorgte der Solothurner Stephan Burkard, der vor Jahren als Schöpfer der Seite www.berndeutsch.ch für Furore in der Mundartszene gesorgt hatte. Er stellte den jungen Berner Rapper san mattia vor, welcher Leben und Bewegung in den Saal brachte. Die Reaktionen reichten von höflich angetan über erheitert bis es bizzeli verständnislos. Interessant aber, wie der 22-Jährige unbekümmert seine Kunst kommentierte: Er streut bewusst Anglizismen in seine Texte ein und bildet dabei ab, was die Mundart im Alltag – weit weg von Normativem – an Veränderungen erlebt. Er «performte» nach der Rap-Darbietung gleich noch sein Mundartchanson «Idee für ne Film».

San mattias Darbietungen unterschieden sich von den anderen überdies dadurch, dass er technische Hilfsmittel einsetzte und sich zur Interpretation seiner Werke lebhaft bewegte. Mit seinen Darbietungen entsprach der Rapper dem in den Statuten des mundartforums beschriebenen Zweck, «die Kenntnis, die Pflege, das Ansehen und den Gebrauch der schweizerdeutschen Dialekte zu fördern sowie ein zeitgemässes Mundartverständnis im Rahmen der Diglossiesituation (Zweisprachigkeit: Standardsprache und Mundarten) zu stärken.»

* zmitz-Blogger Gianni Leardini war am Nachmittag am Mundarttag. Hier gibts seinen Beitrag.

Ruedi, der heimliche Spiritus rector von zmitz. Denn es gibt nichts, was der längstjährige Kulturtäter und Musiker nicht kennt. Haben die Jungspunde im Team eine Idee, Ruedi weiss, wer mehr Infos hätte oder wen man einbeziehen sollte. Und im Zweifelsfall sind die damals auch bei ihm zur Schule gegangen. Der bekennende Kleinkunstliebhaber ist ganz gross, wenn es um das hiesige Kulturschaffen geht.