Blogger Gianni Leardini brauchte zwei Anläufe für das neue Buch von Ernst Burren. Zum Glück, denn das Buch hat einen zweiten Annäherungsversuch verdient.

Ich liebe dünne Bücher und ich liebe Kurzgeschichten. Trotzdem bin ich nicht sofort warm geworden mit dem neuen Büchlein «Nume no vor em Färnseh» von Ernst Burren. Zuerst dachte ich, es sei wegen dem Dialekt des Autors aus Oberdorf (in Zeiten von Slam Poetry und Swiss Rap sind wir dynamischere Mundartexte gewöhnt), dann wegen dem Inhalt (die Geschichten «tötelen» manchmal ein Bitzeli), dann wegen dem Stil (einige Texte wirken auf den ersten Blick fast zu banal, und die konsequente Kleinschreibung ohne Satzzeichen ist etwas ermüdend). Bis mir klar wurde, dass ich in die Anfängerfalle getappt war: Ich habe die 71 Geschichten alle nacheinander und an einem einzigen Tag gelesen. Eine pro Tag – mehrmals lesen, die Sprache geniessen, über den Inhalt nachdenken: So mache ich das normalerweise, also gebe ich auch Ernst Burrens Buch eine zweite Chance.

Und siehe da, es funktioniert. Natürlich spricht mich nicht jede Geschichte an, aber das ist normal. Die Themen sind so vielfältig – Beziehungen, Altwerden, Religion, Umgang mit dem Tod usw. –, da ist für Jede und Jeden etwas dabei. Burren erzählt einfach, kleine Episoden, scharf beobachtet und direkt aus dem Leben gegriffen. Er interpretiert nicht, und genau das macht die Lektüre so reizvoll. Wir sind eingeladen, selber darüber zu hirnen, uns selber den Spiegel vorzuhalten, zu schmunzeln, uns zu ärgern, traurig zu sein.

Persönlich gefallen mir die Texte am besten, die der Frage nachgehen, ob sich das Beten wirklich lohnt und wozu Gott eigentlich da ist: «e kollegin het einisch gmeint / gott cha doch nid aune / aui ihri wünsch erfüue / är isch jo schliesslich au nume e mönsch.» Oder die Geschichten zum Leben nach dem Tod (oder eben nicht), wie der Besuch auf dem Friedhof, bei dem der Autor verschiedenen Verstorbenen begegnet, die er kannte: «dr kurt wo immer het bhauptet / nach em tod chunnt nüt meh / do cha dr pfarrer verzöue was är wott / das glaubt jo kei mönsch (…) d maja wo immer isch überzügt gsi / dass mir üsi öutere und aui mönsche / wo mir gärn hei gha / im jensits wider gseh.» Oder Ernst Burrens wunderbare Wortspielereien: «i ha gmeint / si sigi dä mönsch / woni kenne / aber si isch dä mönsch / woni i ihre wott gseh / si meint / i sigi dä mönsch / wo si i mir wott gseh / jetzt müösse mir iigseh / dass mir üs sit mängem johr / nid hei glehrt kenne.»

Köstlich.

Infos zur Buchvernissage vom 9. November, im Buchhaus Lüthy Solothurn gibt es hier. Und das Buch kann man hier bestellen.

Gianni ist Blogger der ersten Stunde. Er hat schon überall geschrieben und kommuniziert. Bei der Zeitung, für den ÖV, für Spitäler, fürs Vini, jetzt für die öffentliche Verwaltung im östlichen Nachbarkanton. Wieso also nicht für zmitz – wieder. Gianni trifft man immer und überall. Darum schreibt er auch über vieles. Und das durchaus auch mal mit kritischem Blick. Aber lässt sichs auch gut gehen, wenn ihm danach ist.