Letzten Donnerstag ist Christof Gassers neuester Roman erschienen. zmitz-Bloggerin Myriam Brotschi Aguiar hat ihn gelesen und begann mitten in der Lektüre Dürrenmatt zu vermissen…

Das Rezensionsexemplar von Christof Gassers neuestem Wurf «Solothurn blickt in den Abgrund» erreichte mich mit einem goldenen Aufkleber «Bestseller». Auch wenn die Verkaufszahlen dem Prädikat inzwischen offenbar recht geben (schau hier die Buchhaus.ch-Bestsellerliste), stellt sich die Frage: frisch ab Druck und schon ein Bestseller? Da wurde die Latte von irgendwem aber hoch gesteckt.

Ich muss noch erwähnen, dass ich vorher noch nie einen Gasser gelesen habe, weshalb ich neugierig in das Buch einstieg. Aber, das Vorwärtskommen war zäh. Ich eckte auf jeder Seite, die ich umblätterte, an. Zuerst war es die Sprache oder besser gesagt, die Dialoge. Vor allem die Dialoge. Die Personage wechselt zwar, aber die Sprache nicht: Alle Protagonisten und Protagonistinnen sprechen unabhängig von Rang und Rolle flapsig, roh bis grob, häufig offensiv und gerne auch übertrieben defensiv. Mit Pauschalweisheiten oder «Allgemeinplätzen» wird nicht gespart. Dasselbe fiel mir bei den Personenbeschreibungen auf: der Angreifer trägt – natürlich – einen Hoodie, die orientalische Schönheit hat – natürlich – Rundungen, die Killerin – wie könnte es anders sein? – eisblaue Augen. Aber ich lasse das hier mal gut sein. Denn ein Buch besteht ja nicht nur aus Sprache, sondern aus Handlung und da zieht Gasser alle Register seines Könnens und die geneigte Leserin mitten hinein in eine eklektische Themenvielfalt: Feminismus, Rassismus, Wirtschaftskriminalität, Flüchtlingsproblematik, Parteipolitik, Weltpolitik …und weiss der Gugger was noch alles. Der Roman beginnt irgendwo im Oman, weitere Schauplätze sind Olten, Solothurn, Paris und Brüssel. Es wird eingebrochen, Zeug fliegt in die Luft, Frauen werden verprügelt und Männer ermordet, Firmenmachenschaften gedeckt und, und, und.

An dieser Stelle muss ein Geständnis folgen: ich weiss nicht, wie die rasante Geschichte zu Ende geht. Ich habe den Faden verloren und das Buch nicht zu Ende gelesen. Es wandert in den offenen Bücherschrank in Grenchen, wo es hoffentlich jemandem Freude bereitet. Und ich nehme mir vor, wieder einmal Friedrich Dürrenmatts «Das Versprechen» zu lesen, das mich mit seiner sorgfältig angewendeten Sprache, den exzellent herausgearbeiteten Protagonisten und seiner Authentizität immer wieder in die Abgründe der menschlichen Psyche blicken lässt.

«Solothurn blickt in den Abgrund» von Christof Gasser (ISBN 978-3-7408-1395-6), 352 S., z.B. bei buchhaus.ch bestellen. Die Lesung am 14. September bei Bücher Lüthy ist ausverkauft.

Sie ist eine Frau des Wortes und des bewegten Bildes. Denn Kino kanns Myriam so richtig antun. Immer mal auf Reisen, weiss die Grenchnerin aber auch bestens Bescheid, was in ihrer Hood geht. Immerhin ist sie bestens verwurzelt. Und wenn sie hier über einen Anlass bloggt, schafft sie es, den Leser oder die Leserin auf einen kleinen Exkurs in Träumerei mitzunehmen. Dies aber nicht, ohne ihn oder sie auch sanft wieder auf den Boden der kulturellen Realität zurückzuführen.