zmitz-Blogger Fabian Gressly war mal wieder an der Mundartnacht im Kofmehl. Gegangen war er wegen Daniela Dill, dabei wäre er besser wegen den anderen sieben Artist:innen gegangen.

Als wir uns am Mittwoch nach langer Zeit wieder mal zu einem Bloggertreffen verabredeten, hätte unser Video-Departement (ja, wir haben jetzt so eins!) kurze Bloggerportraits für Social Media drehen wollen. Die Aktion fiel dem Regen zum Opfer, aber die Kernfrage wäre gewesen: Wieso bist Du bei zmitz dabei? Ich hätte etwas im Sinne von «Kunst und Kultur sind wichtig für eine Gesellschaft, weil sie ihr zu denken geben und sie herausfordern» gesagt. Halt eines dieser Statements, die man von mir immer mal wieder in Abwandlungen liest.

Das Paradebeispiel dafür folgte dann am Donnerstagabend. Nach x Jahren habe ich mich wieder mal entschieden, die Mundartnacht gägäWärt zu besuchen. Ganz am Anfang, vor 19 Jahren (Whaaaaat?!?), fand ich den Anlass im Kofmehl Hammer! Er war die subversive Cousine der Literaturtage. Die, die am Familienfest am Tisch hinten in der Ecke sitzt. Erst unbemerkt, aber irgendwie spannender als all die Onkels und Tanten am grossen Tisch vorn. Dann wurde der Event zu hipp – für meinen Geschmack zu viele Leute, zu angesagt. Schuld daran, dass ich dieses Jahr wieder ging, war Daniela Dill – und dass ich ihr und ihrem Kraut an der Solothurner Kulturnacht begegnet bin (schau hier). Denn gestern trat sie erneut auf. Sie hat mich vor zwei Wochen im Kantonsratssaal amüsiert, auf den Arm genommen, vorgeführt. Ein bisschen frech, aber treffend – kurz: schön unbequem.

Wie aber Moderator Dominik Muheim – äusserst gekonnt – mit Anekdoten (ob erfunden oder tatsächlich erlebt, ist wurscht) durch den Abend zu führen begann, fiel mir wieder ein, wieso ich dem Anlass länger ferngeblieben bin: Er findet bestuhlt statt. Er ist mir zu bequem geworden. Ich muss stehen, damit ich direkt spüre, was da auf der Bühne passiert. Damit mich packt, was mich packen soll. Offenbar geht’s aber nur mir so. Gestern war ich – zuweilen neben Mitinitiant Pascal Frey – der Einzige. Anyway…

An der Mundartnacht geht es um die verschiedenen Mundarten und Dialekte. Von Thurgau über Bern (einmal städtisch, einmal oberländlich), Basel (einmal baselbieterisch und einmal städtisch), Jura (also irgendwie Französisch oder so), Schaffhausen zurück nach St. Gallen… Und es ging um Stile. Wenn Diego Häberli den Culture-Clash im «Löie» zwischen denen am Stammtisch und dem New-Age-Treffen im Säli eskalieren lässt – äusserst clever in zwei Kapiteln, wobei er im zweiten nach der Pause vorherige Elemente der anderen Mundartist:innen einband. Oder wenn Pesche Heiniger Allegorien vom Laternenfisch und dem Unterhaltungsabend im Dorf spann und einen lautmalerisch auf einen Strandspaziergang mitnahm. Heiniger im breitesten Berndeutsch, als hätte sich «s Totemügerli» in die Dorfdisco verirrt. Derweil geriet Milena Cavegn auf der Suche nach der richtigen Versicherungslösung in eine Sinnkrise. Wohl nur weil der Basler Versicherungsberater sie danach fragte, ob sie Kinder wolle, während es der Rheintaler Berater einfach mal so voraussetzte. Erwin Messmer hingegen wirkte zuweilen fast ein bisschen wie besagter Onkel am grossen Tisch vorn. Das lag aber nicht daran, dass er nicht angekommen wäre. Man musste sich nach dem wortgewaltigen Auftritt von Milena Cavegn erst wieder für die feinen, anders getakteten, ins Absurde gezogenen Gedichte des Schaffhausers neu kalibrieren. Rund um die Pause wuchtete hingegen «Döschwo»-Schrauber Le Bel Hubert seinen Auftritt auf die Bühne, sang auf jurassisch-französisch vom Skilift, Gilberte und Amstutz, nahm Deutschschweizer und Jurassier auf die Schippe. Dass Pascal Frey und Rainer von Arx ein geschicktes, geradezu prophetisches Händchen in der Verpflichtung der Acts haben, zeigte Samuel Richner. Der 22-jährige Berner wurde vor zwei Wochen Poetry-Slam-Schweizermeister. Wieso, zeigte er im Kofmehl mit seiner etwas kurzen Geschichte eines Ereignisses am Wasser: «Ir Aareschlucht passiert e Fahrerflucht!» Und genau so, wie ichs gern habe, zeichnete er – der junge Schnaufer – ein Bild des Älterwerdens von denen, «wo is Lääre use Cumulus-Pünkt sammle». Dere dramatisierte Auftritt beim Comeback von Sven Hirsbrunner setzte dem Ganzen die Krone der Diversität auf. Schon fast dadaistisch taumelte er im selbstgeschriebenen Theaterstück zwischen Betrachtungen von Pistolen auf Tischen, Tischen auf Pistolen, Kühen – von Räubern, Schreinern, Metzgern… – zu verworren, um hier adäquat wiedergegeben zu werden. Aber toll. Eben Spoken Word.

Und Daniela Dill? Sie wäre mein Highlight gewesen. Leider hörte ich – und wohl auch die eine oder der andere sonst in Publikum – was mir schon im Kantonsratssaal vorgetragen wurde. Doch ihr ideal komponierter Sprechrhythmus, das Gespür für Pausen, Gesten und Betonungen und dafür, mir den Spiegel vorzuhalten, damit ich etwas zu denken habe und herausgefordert bin, wäre genau mein Ding. Und die Mundartnacht selbst? Sie wurde eben irgendwie von der coolen Cousine zum Onkel. Man weiss: Er kommt immer. Er ist verlässlich, unterhaltsam, lustig. Und ich frage mich bis nächstes Jahr, ob auch ich nicht mehr der Cousin bin, sondern irgendein Onkel… Oder ich frage es mich am nächsten Mittwoch. Dann kommt «gägäWärt» auf Radio SRF 1.

zmitz würde es ohne Fabian nicht geben. Denn im Jahr 2014 gründeten er und Lucilia den Kulturblog, um die vielseitige Kultur rund um Solothurn sichtbar zu machen. Fabian erzählt unter anderem die Hintergrundgeschichten. Denn auf dem Kulturparkett fühlt er sich wohl, kennt die Kulturschaffenden mindestens genau so gut wie die Kulturveranstalter und weiss auch um kulturpolitische Zusammenhänge. Als Blogger ist er in allen Sparten zuhause. Er ist aber nicht nur Co-Leiter der Redaktion, sondern kümmert sich als Präsident des Vereins darum, dass auch formal bei uns nichts aus dem Ruder läuft.