zmitz-Blogger Fabian Gressly war am Samstag auf Achse – kreuz und quer durch die Stadt, kreuz und quer durch deren Kulturangebot. Was er dabei erlebte? Das wusste er zu Beginn selbst nicht so recht.

Es ist ein paar Wochen her, da habe ich vorausblickend auf die Kulturnacht vom Samstag meine ideale Tour durch die Kulturhäuser entworfen. Von 15 Uhr bis abends spät (schau hier). Aber wie Kollege Düscher vor drei Jahren schon feststellte (hier), kommts halt öfter anders als geplant. Es war 13.15 Uhr, als wir spontan auf die Idee kamen, die Kulturnacht schon bei Tage in Angriff zu nehmen. Mit einem Besuch des Historischen Museums Blumenstein um 14 Uhr. Schon länger läuft dort die Ausstellung «Seife, Sex und Schokolade», die sich um die alltägliche Körperpflege zu Zeiten des Barock dreht. (Um eines vorweg zu nehmen: Die Leute waren nicht so ungepflegt, wie oft behauptet wird. Dass Louis XIV zeitlebens nur drei Mal gebadet haben soll, stimmt beispielsweise nicht. Denn «Baden» hatte damals quasi Eventcharakter, als gingen wir heute ins Alpamare. Und dreimal Alpamare im Leben, finde ich, reicht für meinen Geschmack…)

 

Aber zurück ins Blumenstein, wo Museumsleiter Erich Weber spannend, unterhaltsam und doch historisch akkurat vermittelte, was Madame denn des Tages so erwartete – und auch Monsieur. Dass eine Badewanne in ihr Schlafzimmer geschleppt wurde, wenn sie baden wollte. (Darum meinte man, die Leute damals seien nicht reinlich gewesen, weil keine fest verbauten Sanitärinstallationen vorgefunden wurden.) Oder dass sie sich mit Schönheitsflecken dekorierte, die zugleich Paarungssignale für die Männerwelt waren. Dass man bzw. frau sich puderte und allmählich vergiftete, weil das schneeweisse Puder mit Bleioxid versetzt war. Dass jede Familie, die etwas auf sich hielt, ihren eigenen Duft kreieren liess. Familie Greder, die eben im Blumenstein lebte, hatte ihr eigenes Parfum. Oder – und damit wären wir eben bei Monsieur – dass selbiger sich zwecks Verhütung eines Leinen-Parisers (ich nenne das wegen des Bezugs zum Ancien Régime mal so) bediente, der gewachst wurde. War man nicht sicher, ob der brachte, was er versprach, bepinkelte Madame an einem Krallenfrosch, weil das ein erster Schwangerschaftstest war.

Nach dieser Kurzweil tat ich, was ich ansonsten verpönt finde: Die Kulturnacht-Welt verlassen. Denn ich musste noch kurz Erledigungen besorgen. Wie lange die dauern würden, wusste ich nicht. Also bestand mein Wiedereinstieg in die Kulturnacht wieder in einem Spontanentscheid: Es sollte am Wochenende regnen, also wollte ich das trockene Wetter noch so lange wie möglich nutzen. So fand ich mich um 17 Uhr südlich der Kreuzackerbrücke ein, wo ich auf eine Stadtführung zur 2000-jährigen Geschichte Solothurns mitgenommen wurde. Das Stadt-Jubiläum ward aufgrund von Corona ja kräftig verzettelt: bisschen etwas 2020, bisschen etwas 2021 und nun ich noch auf der Führung. Klar: 45 Minuten reichten für eine Schnellbleiche der Schnellbleiche. Aber gerade die Dichte machte es aus. In wenigen Minuten von den alten Römern bis zum Industriellen Josef Müller sen. (der Junior und seine Schwester waren mehr an Kunst interessiert, wie Du hier lesen kannst), der bei der Schanzmühle eine der ersten Industrien des Kantons aufzog und dafür Strom über acht Kilometer von der Papierfabrik Biberist nach Solothurn «liefern» liess. Klar für einen Solothurner war da viel Aufgewärmtes dabei, aber es gibt viele Speisen, die aufgewärmt noch besser schmecken. Und neu war, welche Bedeutung die Stephanskirche auf dem Friedhofplatz spielte: Sie war einer der ersten Orte, die dieser neuen religiösen Strömung der Protestanten nicht die Tür vor der Nase zuschlug. Das Haus steht heute nicht mehr, ist aber gegenüber auf der Fassade des alten Stephans verewigt.

 

Nach Fussmärschen ins Blumenstein, für die Besorgungen und die Stadtführung (insgesamt fast zwölf Kilometer) wollte ich nun etwas Gemächlicheres. Und weil ich um 19 Uhr in der Vorstadt zum Znacht verabredet war, sollte es das Alte Spital mit Franz Grimms Frag-Art sein. «Les Solistes de Berne» spielten hier ein paar Stücke von Haydn, Salieri und C.M. von Weber auf historischen Instrumenten. Durchatmen, Augen schliessen, auf sich wirken lassen! – Perfekt! Wer meint, er habe nun etwas verpasst: Die Formation spielt am 26. Dezember wieder für Frag-Art.

Nach einem Spontan-Apéro (das Konzert dauerte nur gut 30 Minuten) und gemütlichem Abendessen gings – wiederum recht spontan, weil wir vor 22 Uhr mit Speisen fertig waren – in den Kantonsratssaal: «Dill & Kraut», genau das Richtige, um sich – gut genährt, wie man ist – nicht einer Müdigkeit hinzugeben. Autorin Daniela Dill und die Musiker Christoph Wüthrich und Florian Seiss unterhalten mit viel Humor, charmanter Spontaneität und Wärme. Was nicht ganz einfach ist, wenn man an einem Abend innert kürzester Zeit drei Mal ein jeweils komplett neues Publikum «abholen» muss. Sie nahmen den Alltag und die Menschen, die sich in ihm bewegen (der Schreibende muss sich hier leider dazuzählen) auf die Schippe, hielten ihm (dem Alltag) und ihnen (den Leuten, also uns) den Spiegel vor, boten uns aber die Möglichkeit, nicht allzu betupft zu sein und über uns selbst zu lachen. Wenn sie beispielsweise von diesem wunderschönen Ausflug auf den Weissenstein berichteten, der «soooo schön» war – mit dem Berg, dem Panorama, dem Wetter – aber: «die Lüt, nei, die Lüt!» – Touché!

 

Auch der Ausklang dieser Kulturnacht war nicht wirklich geplant. Aber nachdem ich nicht der überfressenen (‘tschuldigung!) Müdigkeit verfallen war, hatte ich Lust auf fette Bässe, ansteckende Beats, groovenden Funk: The James Brown Tribute mit den Soulvision Allstars um J.J. Flück im Kreuz. Und die Combo lieferte, was sie versprach. Sie – allen voran Sänger Rich Fonje – gaben den James Brown, ohne James Brown sein zu wollen. Und sie brachten den Kreuz-Saal ziemlich ordentlich zum Kochen.

Was nach dem vergangenen Samstag übrig bleibt? Was wir schon lange wissen, drei Jahre aber nicht erleben durften: Die Kulturnacht bietet Kultur-Häppchen für alle Begehrlichkeiten. Altbekanntes und Geliebtes wieder erleben, Neues entdecken, sich neugierig Ungewohntem aussetzen und danach satt und zufrieden sein. Ich freue mich jedenfalls auf die Kulturnacht 2024 – ob geplant oder spontan.

zmitz würde es ohne Fabian nicht geben. Denn im Jahr 2014 gründeten er und Lucilia den Kulturblog, um die vielseitige Kultur rund um Solothurn sichtbar zu machen. Fabian erzählt unter anderem die Hintergrundgeschichten. Denn auf dem Kulturparkett fühlt er sich wohl, kennt die Kulturschaffenden mindestens genau so gut wie die Kulturveranstalter und weiss auch um kulturpolitische Zusammenhänge. Als Blogger ist er in allen Sparten zuhause. Er ist aber nicht nur Co-Leiter der Redaktion, sondern kümmert sich als Präsident des Vereins darum, dass auch formal bei uns nichts aus dem Ruder läuft.