zmitz-Blogger Gianni Leardini hat sich «Bis ändlech öppis passiert», die erste CD von «Blingtext» angehört. Schnellleser*innen springen zum letzten Satz des ersten Abschnitts. Aber Langleser*innen erfahren viel, viel mehr!

«Blingtext» haben wir schon im Kultürchen vorgestellt und Blogger-Kollege Sven hat im ersten Lockdown etwas über die Band geschrieben (hier). Mittlerweile ist «Bis ändlech öppis passiert» erschienen, die erste CD der Solothurner Band – also nichts wie reinhören und darüber berichten! Kein einfaches Unterfangen allerdings. Erstens, weil vor ein paar Tagen Endo Anaconda von Stiller Has gestorben ist; da drängen sich undankbare Vergleiche auf. Zweitens, weil «Blingtext» über sich selber schreibt: «Der Name ist … Programm, da man eher Blindtext einfügen, statt den Musikstil dieser jungen Band zu beschreiben versuchen sollte.» Ich halte mich teilweise an diese Anweisung und mache es kurz und knapp, aber doch ein bisschen länger als «Lorem ipsum…»*: Diese Musik popt, rockt, groovet und «fäderet»! Und tausend Punkte schon nur dafür, dass es nicht schon wieder Mundart-Rap ist…

Etwas ausführlicher werde ich, was die Lieder und vor allem die Texte bei mir persönlich ausgelöst haben – wie immer mit keinerlei Anspruch auf Objektivität. Nicht nur wegen des hohen musikalischen Niveaus hört sich die CD mitnichten als ein Erstlingswerk an. Lasst euch nicht täuschen von der offensichtlich ironisch gemeinten Selbstbeschreibung der Band: «Blingtext ist DIE neue Boygroup aus Solothurn.» Boygroup? Nein! Dafür sind ihre Texte zu reif, da ist bereits zu viel Lebenserfahrung drin. Aber dazu später mehr. Aus Solothurn? Ja! Der schönste Dialekt der Schweiz löst Nähe und Heimatgefühle aus. Und dann die direkten Anspielungen auf die schönste Barockstadt der Schweiz – etwa auf das Lokalbier in «Mänti Obe» («… würdsch au no di letscht Franke für das Öufi gäh…») oder auf die Fasnacht beziehungsweise auf den Zapfenstreich in «Bling».

Das «I ma nümm» des Zapfenstreichs und das «s isch immer e so gsi» des Solothurner Lieds schwingt in den Songs der Band irgendwie immer ein bitzeli mit. Und damit wären wir bei der Lebenserfahrung: Texte, die von Reife zeugen; Themen und Situationen, die wir alle schon so oder ähnlich erlebt haben; Beschreibungen, die von einer feinen Beobachtungsgabe zeugen und zum Nachdenken anregen. Ich hatte jedenfalls immer wieder Déja-vus, musste je nachdem Schmunzeln, Stirnrunzeln, mir wurde der Spiegel vorgehalten, wie etwa beim Lied «Langsam frömd»: «S hange Fottis ar Wang dört vo dir ohni Ranze, und du heschne nid iizoge, jetz gsehsch us aus wärsch schwanger.»; oder «D’Entwicklig gsehsch kritisch aber weisch, sie isch wichtig, schänksch no chly Wy noche.»

Ein wiederkehrendes Thema ist das Zaudern, die Unsicherheit, die verpassten Chancen; zum Beispiel im Titelsong «Bis ändlech öppis passiert»: «Nur no hundert mau schlofe, bis ändlech öppis passiert. Du weisch nid was, weisch nid wie, aber hesch ders sicher verdient … Es isch es wärt, wüu vorem Schmärz het di dis Warte jo no immer verschont … Ig hoffe nume, du wachsch am richtige Tag denn au uf.» Oder in «Bling», das Bezug nimmt auf den Bandnamen: «Morn am Morge fohni aa mit ere Diät, und füue d Stüürerklärig uus … aber i mah grad nid, ha eifach grad angers im Sinn, nei i mah nid, loh doch dä Text eifach bling.»

In «Drissgi» geht’s wie in anderen Songs ums Älterwerden: «Du hesch Angscht vor de Johr mitem drü am Rügge, hesch Kollege wo i Pampa-Reihehüsli zügle, chunnsch vo Züri zrügg, gäng no chly Koks i dr Nase, und morn scho wieder anes Hochzyt iiglade.» Persönlich sind die Texte, eher unpolitisch, selten flammt (Gesellschafts-)Kritik auf, wie bei «Ustuschjohr»: «Dr Chef seit, du setzisch aues bäumig um, und nöii Umstäng heige derzue gfüöhrt, dass leider glych muesch goh, und är hofft du verschtohschs, schliesslech wott är sis Salär nid sänke, schliesslech wott är di nid chränke, sondern nume Chöschte spare, bi de chlinschte, nid de gröschte Zahle.» Oder teilweise im Song über die Influencerin «Stephi»: «Es zieht e Shitstorm uf, sie hets nume guet gmeint, aber d Lüt fasses anschiinend nid so uf, die ganzi Wäut schiint e Klick vorus. Aui Lüt entfouge ihre. Wo isch dä Erfoug hi? Es schiint aus wär’s das mit dr Show gsy…»

Fazit: Ein bitzeli «negativ-melancholisch» (gibt’s das Wort?) angehaucht, schliesslich besteht das Leben ja auch aus positiven Situationen und Gefühlen. Und ab und zu habe ich mich gefragt: «Wenn die scho mit em Drissgi-wärde es Problem hei, muess ig mir aus Ü50 d‘Chugele gäh?» Alles in allem ist die Scheibe aber wirklich auf eine sehr anregende Art unterhaltsam, und das Wichtigste: Sie macht Lust auf mehr von «Blingtext»!

* Blindtext gemäss Wikipedia: «Mit Hilfe des Blindtextes kann die Verteilung des Textes auf der Seite (Layout oder Satzspiegel) sowie Lesbarkeit und Platzbedarf der verwendeten Schriftarten (Typografie) beurteilt werden. Er besteht aus einer mehr oder minder sinnlosen Folge von Wörtern, oft auch nur aus wortähnlichen Silbenfolgen. Ein bekanntes Beispiel dafür ist das ‹lateinische› Lorem ipsum. Komponisten von Liedern benutzen Blindtexte beim Komponieren von Melodien und singen diese, bevor der Liedtext gedichtet wird.»

Am 28. Mai soll im Kofmehl die Plattentaufe stattfinden. Details und wie man zur CD kommt, erfährst Du hier.

Gianni ist Blogger der ersten Stunde. Er hat schon überall geschrieben und kommuniziert. Bei der Zeitung, für den ÖV, für Spitäler, fürs Vini, jetzt für die öffentliche Verwaltung im östlichen Nachbarkanton. Wieso also nicht für zmitz – wieder. Gianni trifft man immer und überall. Darum schreibt er auch über vieles. Und das durchaus auch mal mit kritischem Blick. Aber lässt sichs auch gut gehen, wenn ihm danach ist.