Bloggerin Fatma Kammer spaziert mit offenen Augen durch die Stadt Solothurn. In letzter Zeit öfters auch an einem Haus an der Fegetz-Allee vorbei, welches sie sehr neugierig macht.
Unsere Städte und Dörfer sind so voll bebaut, dass es jedes Mal ein Riesenereignis ist, wenn mal irgendwo etwas Neues entsteht. Das fühlt sich dann fast so an, als ob jemand Neues in die Schulklasse kommt, in der sich nicht nur seit dem ersten Kindergartenjahr nichts getan hat. Sechs der 18 Schulkameraden sind auch noch eineiige Zwillinge und die drei Noahs in der Klasse ausgerechnet alle blond. Eine Welt also, bei der man nicht gleich zum Arzt rennen muss, wenn man mal wieder doppelt sieht. Dann kommt plötzlich sie in die Klasse und wirbelt alles ganz schön um. Die Neue ist weder mit jemandem verwandt, noch bekannt. Findet man sie spannend, weil sie die Neue ist oder weil sie ganz anders tickt als der Rest?
Dieses Dilemma hatte ich an der Fegetz-Allee vor dem Neubau der Dual Architekten. Der Anblick ein Aha-Erlebnis. Das Gebäude hat mehr Ecken und Kanten als ein ganzes Einfamilienhausquartier. Die moderne Interpretation eines Wehrmachtsgangs – dieses Wort spuckte meine Internetrecherche zum Begriff «oberer Burgteil» aus, was ich aus stilistisch angeberischen Gründen in diesen Text einfliessen lasse. Wie auch immer, die Burg lässt niemanden kalt. Genau deshalb hat mich dieser Bau mehr als nur einmal an seinen Standort verführt. Das Schöne an der Unentschlossenheit ist der Entscheidungsspielraum, wohin der Geschmackszeiger tendieren soll. Bei mir pendelt er zwischen gefällt mir und total abgefahren, obwohl es nicht Liebe auf der ersten Blick war. Genau so stelle ich mir ein gelungenes Kunsterlebnis vor. Man weiss vorher nicht, welche Gefühle ein Werk auslöst. Als ob der Bauherr diesem Umstand Rechnung tragen wollte, war er mit einer grosszügigen Idee einverstanden: Die Fassade und der Zwischenraum werden der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt.
Für all diejenigen, die sich an seiner Mauer ganz legal sonnen dürfen, macht dieser Umstand den Neubau noch goldiger. Etwas ist mir nach meinen unzähligen Besuchen trotzdem irgendwie entgangen. Wo um Himmels willen ist die Eingangstür? Ich würde gerne klingeln und die Bewohner um einen Rundgang bitten. Von mir aus müssten sie nicht mal reden. Den Smalltalk könnte man den Räumen überlassen.
Eigentlich ist dieser Blog nichts anderes, als eine getarnte Anfrage für eine Führung. Falls ich damit Erfolg haben sollte, würde ich den Beitrag gleich mit weiteren Häusern ergänzen. So käme ich in den Genuss eines ganzen Architekturrundgangs, wie ich ihn mir in Solothurn immer gewünscht habe. Den erhöhten Puls ausgelöst durch das ständige hin und her des Geschmackszeigers nehme ich dabei gerne in Kauf.
Bei ihr liegen die Ideen für Texte oft wirklich «auf der Strasse»: Fatma hat ein unglaublich gutes Gspüri für spezielle Menschen und ihre Geschichten. Und sie macht sich viele Gedanken über das, was sie umgibt. Darum wird sie auf zmitz mit Sicherheit nicht nur über besuchte Anlässe berichten, sondern auch über unerwartete Begegnungen mit Street-Art, mit Strassenmusikern oder dem «Kunstschaffenden von nebenan» und erzählen, was ihr dabei so durch den Kopf geht.