zmitz-Bloggerin Mirjam geht endlich wieder aus und trifft eine Künstlerin oder einen Kulturschaffenden ihrer Wahl. Jemanden, den sie gerne (wieder) einmal sehen würde, von dem es News gibt oder sie schon lange einmal etwas fragen wollte (und sie hat meistens viele Fragen). Der/die Gesprächspartner*in wählt die Beiz und das Getränk.

Als ich vor gut einem halben Jahr dank des zmitz-Kultürchens (hier) zum ersten Mal auf Aaron Doukpo stiess, war ich kurz durch den Wind: Ich schaute mir auf seinem Instagram-Profil @juiceis_online seine Bilder an und traute meinen Augen nicht: Der 1988 verstorbene (Graffiti)künstler Jean-Michel Basquiat schien wiederbelebt zu sein! Die Bilder von Doukpo zeigten – genauso wie jene von Basquiat – grosse, ausdrucksstarke Figuren in intensiven Farben (manchmal auch mit Totenköpfen) die von einer Aura der Einsamkeit und Verletzlichkeit umgeben waren. Einen Monat später fuhr ich ins Grenchner Atelier von Aaron Doukpo und kaufte mir innerhalb weniger Minuten eines seiner intensiven Bilder. Corona verunmöglichte damals ein unbeschwertes Gespräch, dieses will ich nun jedoch nachholen.

Aaron und ich treffen uns im Baracoa in Grenchen. Er bestellt einen Pfefferminztee für beide, was angesichts der warmen Temperaturen zuerst überraschend ist, sich dann jedoch als erfrischender herausstellt als erwartet. Meine erste Frage liegt auf der Hand: Ich will wissen, ob und wenn ja, wie sehr ihn Basquiat inspiriert. Er lächelt bei der Antwort: «Im Zeichnungsunterricht in der Berufsfachschule hat mir mein Lehrer gesagt, meine Kunst erinnere ihn an Basquiat. Das war das erste Mal, dass ich diesen Namen hörte.» Ich bin erstaunt, hätte ich doch eine Antwort erwartet, die auf eine direkte Inspiration durch Basquiat hindeutet. Von diesem Input des Lehrers angestachelt, setzte sich Aaron mit dem Künstler auseinander. «Dank Basquiat habe ich gemerkt, dass die Kunst, die ich mache, irgendwo Platz zu haben scheint.»

Dass Doukpo – heute 22-jährig – etwas im künstlerischen Bereich machen würde, war ihm seit jeher klar. «Ich wusste immer, dass etwas Künstlerisches in mir steckt, aber wie breit das Wort ‹Künstler› gefächert ist, war mir lange nicht klar.» Es sind Aussagen wie diese, die mich während des ganzen Gespräches immer wieder faszinieren. Pointierte Aussagen auf meine Fragen. Ruhig, überlegt, ohne Umschweife. Ich spreche mit einem Menschen, der am Anfang seiner Karriere steht, sich aber über sich und sein Schaffen Gedanken macht, welchen eine lange, tiefe Auseinandersetzung zu Grunde liegen. Es scheint, als hätten andere Künstler ihm durchaus bei dieser Auseinandersetzung geholfen: Seine Inspiration holt er sich heute neben Basquiat unter anderem bei Kurt Cobain, Jimi Hendrix und Jim Morrison. Ich staune: Bei Musikern? «Wenn ich male, muss ich mir die Impulse ausserhalb des Bildnerischen holen», erklärt Aaron. Hendrix, Morrison, Cobain, Basquiat – alles Künstler des 27er-Clubs, denen das Leben zum Teil so zugesetzt zu haben schien, dass es nicht mehr als 27 Jahre zählte. Aaron sagt, bei den Künstlern, die er gut findet, hätte er das Gefühl, verstanden zu werden. Ich stutze, aber er beruhigt: «Doch, doch, ich möchte älter als 27-jährig werden», lacht er.

Eine schwermütige Seite in seiner Kunst ist dennoch nicht schwer zu finden. Die Figuren seiner Bilder scheinen zwar ganz bei sich zu sein, jedoch nicht ganz Teil dieser Welt. Aaron Doukpo bestätigt meinen Eindruck: «Die Figuren zeigen eine Einsamkeit, die auch existiert, wenn man mit anderen zusammen ist, selbst wenn man sie gern hat.» Je länger ich mit Aaron spreche, desto mehr erkenne ich ihn selbst in seinen Figuren. Wie er dieses Gefühl, nicht immer ganz Teil dieser Welt zu sein, aushalte, will ich wissen: «Das bin ich dran herauszufinden», lacht Doukpo, «das Wissen, dass es manchmal so ist, ist schon die Hälfte davon.»

Aarons Innenwelt sucht stark in seiner Kunst einen Ausdruck. Ihn als «Maler» zu bezeichnen, würde ihm jedoch nicht gerecht. Während des ganzen Gesprächs merke ich, dass mein Zugang zu ihm zwar über die bildende Kunst passiert ist (und dass er dafür auch den Förderpreis der Stadt Grenchen erhalten hat), dass dieser Aspekt aber zu kurz greift. Doukpo hat sich – mit Hilfe seiner Tante – bereits im Schulalter das Nähen beigebracht und designt Kleider, die er auf Modeshows präsentiert (eine nächste in Bern ist im Moment in Planung). Er schreibt Gedichte, die er im Eigenverlag rausgibt und produziert momentan eine Comedy-Nachrichten-Serie. Ob er berühmt werden möchte, will ich wissen. «Ich möchte einen Weg finden, Bilder verkaufen zu können um davon leben zu können, jedoch ohne, dass mich zu viele Menschen kennen. Aber sobald man berühmt ist, hat man einen Stempel. Ich möchte mir die Vielseitigkeit meiner Kunst bewahren und nicht als ‹Maler› oder ‹Designer› wahrgenommen werden.» Doukpo lebt bereits jetzt von seiner Kunst – selbst wenn grosse Sprünge noch nicht drin liegen. «Kunst ist das einzige, das ich machen will. Alles andere mache ich nur, um Geld zu verdienen, damit ich Kunst machen kann. Es ist das erste, das ich mache, das sich nicht anfühlt, als würde etwas in mir absterben.»

Ich glaube es ihm zu 100%.

Seit der ersten Stunde bei zmitz dabei, ist sie sich bewusst, dass Kultur nicht immer allen gefallen muss. Sie aber weiss, was ihr passt. Soll nicht heissen, dass sie auch einmal über den Tellerrand ihrer eigenen Kultursuppe hinausblickt und Dinge erkundet, die nicht unbedingt ihr Ding sind. Ihr Herz schlägt für Musik – ob ab Bühne oder Konserve – und vor allem für alles, was nicht so ganz in ein Schema passen mag. Und weil sie im Hintergrund aktiv mitdenkt, bleibt zmitz nicht so gut wie ehedem, sondern wird stets besser.