Die Euro ist ihm heuer irgendwie Wurscht, ins Kino mochte er am Sonntag auch nicht. Also blieb zmitz-Blogger Fabian Gressly nur eine Form der Abendunterhaltung: die Operette. Dabei fühlte er sich denn auch ganz wie im Wien der frühen 30er. Oder doch in Berlin?

«Es ist ein historischer Moment für die Kultur», bemerkte Intendant Hermann Gehrig am Ende der Aufführung gegenüber dem Publikum. Geschichtsträchtig war und ist die diesjährige Inszenierung der Bühne Burgäschi darum, weil sie einer der ersten Kulturanlässe nach einem für viele bald eineinhalbjährigen Stillstand ist. Dass es am Sonntagabend überhaupt so weit kommen konnte, war aber lange Zeit alles andere als sicher.

Schuld an besagter Unsicherheit trug für einmal nicht (nur) dieses vermaledeite Virus, sondern das zwischenzeitliche Ende des Hochsommers: Hagel, Sturm und Starkregen hatten am frühen Abend infrage gestellt, ob überhaupt Theater bzw. Operette gespielt werden könne. Zwei Aufführungen waren angesagt: eine um 17 Uhr und die zweite um 20 Uhr. Letztere konnte leicht verzögert, aber ohne Beeinträchtigungen – ausser das die Darstellenden vom Hinsetzen ein nasses Hinterteil kriegten – durchgeführt werden. Erstere aber wurde kurz vor Ende so arg verwirbelt, dass die Aufführung für zehn Minuten unterbrochen werden musste und das Kostümzelt zusammenbrach. Aber nur das. Die Zuschauer blieben unter ihrem Zelt dank eines zusätzlichen Betonklotzes in Sicherheit.

Ziemlich verwirbelt wurde, wie es in einem Operettenstück üblich ist, auch das Leben der Protagonistinnen und Protagonisten. Der Kniff an der Geschichte von «Zur gold’nen Liebe» von Ralph Benatzky: In der Operette gehts um die Premiere einer Operette. Drei Wochen vor selbiger fehlt zwar noch die Hauptdarstellerin und damit prädestinierte Star-Sängerin, doch Komponist und Librettist werden auf einer abendlichen Kneipentour in einer Cabaret-Sängerin fündig und engagieren diese von der Bühne des «Bumshauses» weg. Sie erhält eine ebenso ruhmreiche wie erfundene Lebensgeschichte verpasst, der Komponist (einmal mehr grandios: Fabio De Giocomi) in ihr eine Liebschaft und die ihn wiederum anbetende Unternehmertochter (Patricia Zanella) somit Grund genug zum Intrigieren.

Im Wissen, dass der Urheber des Stücks Österreicher war und weil – diese Aussage fällt im Stück selbst, ich schwöre! – jede Operette in Wien spielt, ging ich davon aus, dass wir auch mit «Zur gold’nen Liebe» in der Donaustadt weilen. Als die Sponsorin der Operette in der Operette von ihrem Geschäft am Ku’damm sang, tagte es mir zwar, dass wir uns in Berlin befinden. Aber ich weigerte mich, diese Feststellung allzu fest in die Wirkung des Stücks diffundieren zu lassen. Zu sehr hatte mich das Falco-ähnliche, arrogante Gehabe des einen (Roger Bucher) und der Klaus-Maria-Brandauer-Blick eines anderen Darstellers (Peter Bader) nach Wien entführt. Und auch sonst war wunderbar vorstellbar, wie die lebenslustigen 20er- und 30er-Jahre und viel Wiener Schmäh sich hier in allerlei Verrenkungen emporsteigern.

Berlin ist aber auch nicht schlecht, war die Stadt doch Schmelztiegel und Sammelpot für Menschen aus aller Welt. Nach der finsteren Stunde des Ersten und vor der noch finstereren Stunde des Zweiten Weltkriegs, jenseits des Atlantiks tobte grad die grösste Wirtschaftskrise und liess Menschen nach Europa fliehen, sprühte das Leben Funken. Und das kommt in «Zur gold’nen Liebe», auch wenn die Inszenierung weniger opulent ist als frühere, voll zum Tragen. Dass durch den Plot der Operette in der Operette die vierte Wand, die Grenze zwischen Darstellenden bzw. Orchester und Publikum, aufgebrochen wird, gefällt (mir) besonders. Die Aufführung ist fast wie eine dieser immersiven Kunstinstallationen zu erleben, wie sie etwa in der Kiesofenhalle des Attisholz-Areals Platz fand (siehe hier): Man findet sich mitten drin. Und das ist eine schöne Form, einen Abend zu verbringen. Fernsehen gabs schliesslich noch nicht, Kino war erst langsam im Kommen. Die Operette war die Unterhaltung für einen Abend – und das gilt auch heute für die Bühne Burgäschi, auch wenn Burgäschi für diese Inszenierung in Oekingen liegt. Wie Wien in Berlin.

zmitz würde es ohne Fabian nicht geben. Denn im Jahr 2014 gründeten er und Lucilia den Kulturblog, um die vielseitige Kultur rund um Solothurn sichtbar zu machen. Fabian erzählt unter anderem die Hintergrundgeschichten. Denn auf dem Kulturparkett fühlt er sich wohl, kennt die Kulturschaffenden mindestens genau so gut wie die Kulturveranstalter und weiss auch um kulturpolitische Zusammenhänge. Als Blogger ist er in allen Sparten zuhause. Er ist aber nicht nur Co-Leiter der Redaktion, sondern kümmert sich als Präsident des Vereins darum, dass auch formal bei uns nichts aus dem Ruder läuft.