zmitz-Bloggerin Mirjam geht endlich wieder aus und trifft eine Künstlerin oder einen Kulturschaffenden ihrer Wahl. Jemanden, den sie gerne (wieder) einmal sehen würde, von dem es News gibt oder sie schon lange einmal etwas fragen wollte (und sie hat meistens viele Fragen). Der/die Gesprächspartner*in wählt die Beiz und das Getränk.
«Cosmic Circle»: Vor Corona stiess ich immer wieder auf diesen Namen in Zusammenhang mit grossen Events. Es waren Events, die das kleine Solothurn und seine Umgebung in eine Stadt von Welt verwandelten. «Cosmic Circle» füllte Plätze zum Leben, die genau dieses pralle Leben verdienen. Angefangen beim Attisholz-Areal, auf welchem Daydances organisiert werden, über die Aare-Plattform beim Pier 11, bis zum P9 in Biberist. Wer vermochte dem kleinen Solothurn ein solches Flair zu geben? Wer steckt hinter «Cosmic Circle»? Ich fragte herum, hörte mich um und vernahm: Hinter diesen Parties, die wohl sogar in Berlin nicht besser gefeiert werden könnten, steht Ibrahim (Ibo) Kaptanoglu, besser bekannt als DJ Anthik. Er war Mitgründer der Nachtschicht in Biberist und wohl bekanntester DJ weit und breit. Für mich war es klar: Ich wollte diesen Menschen kennen lernen. Von ihm hören, wie und wieso er diese grossen Ideen nach Solothurn bringt.
Dass mich Ibo in die Aarebar Solothurn bittet, ist für mich nicht weiter überraschend. Im Januar haben unter anderem seine Partnerin Tamara und er (wenn auch er im Hintergrund) das Lokal übernommen. Er bestellt zwei Gin Tonics für uns – mit einem neuen, sehr feinen Gin, dessen Namen ich schon vergessen habe, weil er so süffig war.
Meine Begeisterung für seine Ideen bestätigt Ibo an diesem Abend immer wieder mit den gleichen Worten: «Die Zürcher House-Szene schaut begeistert nach Solothurn. Sind die mal in einem Attisholz-Areal feiern, trauen sie ihren Augen nicht.» Genauso empfinde ich das auch: Solothurn und seine Umgebung bieten unglaubliche Plätze und Ibo weiss sie zu bespielen. Wenn er erzählt, dann sprudelt es. Tamara, die an diesem Abend in der Aarebar arbeitet, meint, er unterhalte die ganze Bar. Stimmt. Und gleichzeitig ist genau das Ibos Stärke: Zu unterhalten, seine Passion spürbar zu machen, sobald er von seiner Arbeit erzählt. Er berichtet, wie er als Neunjähriger sein Quartier in Gerlafingen mit Hitparadenmusik beglückte und sich damals sein erstes Mischpult kaufte. Wie er als DJ den Eröffnungsabend der Nachtschicht erlebte und wie er sich von der Geburtsstätte der Schweizer House-Szene Neuenburg über Zürich nach Ibiza sampelte und schliesslich doch immer wieder in Solothurn landete.
Für das Jahr 2020 hätte Ibo viele Events geplant gehabt. Mit seinem grossen Netzwerk hätte er beispielsweise einen riesigen Rave auf dem Attisholz-Areal mit internationalen DJs geplant. Corona hat auch ihn zurückgeworfen. Er erzählt, wie er hadert. Mal mehr, mal weniger. Und ich fühle in jedem Wort seine Leidenschaft für sein Schaffen. Woher er die Inspiration für seine Musik nehme, will ich wissen. «Aus den Clubs», antwortet er – und ich spüre die Wehmut. Auch wenn er in den letzten Monaten viel Zeit in seinem Studio verbrachte und dank dem einige Produktionen «on hold» hat, scheint Ibo das Lebendige zu brauchen, um schöpferisch tätig sein zu können. Am 3. Juli ist die «Cosmic Cruise» geplant, eine Party auf dem Neuenburgersee. Ob und in welcher Form diese unter den momentanen Bedingungen stattfinden kann, ist noch ungeklärt. «Im Moment dürfen die Leute an Anlässen nur sitzen – ich binde ihnen einfach einen ‘Mäucherstüehli’ an den Hintern, dann können sie sich setzen, sobald uns jemand sieht», lacht er.
«Legst du bis 65 auf?», will ich wissen. Bei allem Reissen, bei allem Enthusiasmus für die Musikwelt und seine Arbeit als DJ, empfinden ich Ibo in dieser Antwort als sehr «solothurnisch»: Er mache es, solange seine Gesundheit gut bleibe und er noch in einer hohen Liga mitspielen dürfe. Und er ergänzt grinsend: «Solange ich nicht auf öden Hochzeitsparties auflegen muss, weil mich sonst keiner mehr will, mache ich weiter!» Ich erlebe Ibo immer wieder zwischen bodenständig und visionär. Vielleicht kommen «wir Solothurner» genau deshalb in Zürich so gut an.
Seit der ersten Stunde bei zmitz dabei, ist sie sich bewusst, dass Kultur nicht immer allen gefallen muss. Sie aber weiss, was ihr passt. Soll nicht heissen, dass sie auch einmal über den Tellerrand ihrer eigenen Kultursuppe hinausblickt und Dinge erkundet, die nicht unbedingt ihr Ding sind. Ihr Herz schlägt für Musik – ob ab Bühne oder Konserve – und vor allem für alles, was nicht so ganz in ein Schema passen mag. Und weil sie im Hintergrund aktiv mitdenkt, bleibt zmitz nicht so gut wie ehedem, sondern wird stets besser.