Am 13. Juni wählt Solothurn den oder die Nachfolger*in von Stadtpräsident Kurt Fluri. zmitz hat den beiden Kandidierenden in Sachen Kultur auf den Zahl gefühlt. Ob es ein Kulturleitbild braucht, wie wichtig Kultur für die Stadt ist und ob die nach Corona Hilfe braucht, sagt hier Stefanie Ingold (SP, 53).

Wann und wo haben Sie zuletzt einen Kulturanlass besucht?
Stefanie Ingold: Ich musste meine Agenda durchforsten, wann dies im 2020 das letzte Mal war: am 9. Oktober, ich war im Stadttheater und habe das Stück «die Panne» gesehen. Ich kann mich erinnern, dass ich, wie immer, völlig beeindruckt war von den schauspielerischen Leistungen, die Schauspielerinnen und Schauspieler an unserem Stadttheater sind schlicht grandios. Dann war ich im Januar an den virtuellen Filmtagen und am 3. April an einem Konzert, «Musig usem Chloschterfänschter», mit Ben Jeger. Der Musiker spielte oben am offenen Klosterfenster und viele Leute standen verteilt auf der Strasse und lauschten. Ein einmaliges Konzerterlebnis in der Pandemie.

Die Stadt brüstet sich, mit von den höchsten pro-Kopf-Kulturausgaben in der Schweiz zu haben. Wie viel darf Kultur aus Ihrer Sicht die Stadt Solothurn kosten?
Ingold: Wir sind eine Kulturstadt und sind ein kultureller Leuchtturm, der weit in die Schweiz und über die Grenzen hinweg ausstrahlt, daher sollen wir uns weiterhin damit brüsten können, die höchsten pro-Kopf-Kulturausgaben der Schweiz zu haben. Wir müssen auf der anderen Seite ganz klar sehen, welche Wertschöpfung die Kultur für die Stadt und die ganze Region bringt. Wenn wir uns die Filmtage oder die Literaturtage in dieser Frage genauer anschauen, ist dieser Anlass für die Hotellerie, Gastronomie, Tourismus und Gewerbe in der Stadt und Region enorm wichtig. Gerade die Hotels sind zu dieser Zeit zu 100% ausgelastet. Der Wegfall in diesem Jahr traf diese Branche empfindlich. Konkret: Die Literaturtage geben für die Unterbringung ihrer Gäste mehr Geld aus als die Stadt den Anlass mit direkten oder indirekten Subventionen unterstützt. Es lassen sich nicht genaue Zahlen nennen, welche Wertschöpfung die Filmtage und die Literaturtage erbringen, es gibt eine vorsichtige Schätzung von 3,2 Millionen. Wir wissen, was die Kultur Wert ist, für unsere Seele, unseren Geist, für unsere Horizonterweiterung und eben auch für unsere monetären Einnahmen.

Solothurn nennt sich Kulturstadt und tatsächlich beherbergt sie wichtige Kulturhäuser und national bedeutende Festivals, aber auch vielfältige Kleinkunst. Eine Basis für die Kulturarbeit in der Stadt gibt es aber weiterhin nicht. Bräuchten wir nicht ein Kulturleitbild oder eine politisch verabschiedete Strategie? Oder sogar eine Amtsstelle, die sich mit Kultur beschäftigt?
Ingold: Ein Kulturleitbild, erarbeitet im Dialog mit den Akteur*innen, wäre, wie auch der Kanton gezeigt hat, sicher nützlich: Ein Kulturleitbild beschreibt die Werthaltungen, Grundsätze, strategischen Schwerpunkte und Ziele der Stadt in der Förderung, Pflege und Vermittlung der solothurnischen Kultur. Daraus könnte man konkrete Massnahmen für die nächsten Jahre ableiten. Der Stadtpräsident oder die Stadtpräsidentin hat einen gewissen Spielraum bei der Förderung Kultureller Projekte. Dieser soll unbedingt gewahrt bleiben und gleichzeitig auch transparenter gemacht werden.Die Strukturen sollten aber schlank bleiben. Eine «Kulturverwaltungsstelle» möchte ich nicht einrichten. Sie ‹frisst› Mittel, die wir lieber direkt in die Kultur einfliessen lassen.

Ihr Vorgänger verfügt über ein besonderes «Kulturkässeli», aus welchem er regelmässig Beiträge bis maximal 12‘000 Franken je Anlass für Kulturveranstaltungen spricht. Das war und ist mitunter Garant für die Breite des Angebots in der Stadt und funktioniert gut. Wollen Sie das auch so pflegen?
Ingold: Ganz sicher! Kurt Fluri war ein grosser Unterstützer der Kultur und da darf sich gar nichts ändern. Aber wie oben ausgeführt: Die Vergabe sollte transparent sein und nachvollziehbare Kriterien haben! Alles Kulturakteur*innen sollten partizipieren können. Ein Leitbild würde dabei helfen.

Allmählich greifen Lockerungen so weit, dass sie auch einen Kulturbetrieb wieder ermöglichen. Der Schaden der letzten Monate ist aber gross und möglicherweise bräuchte der eine oder die andere etwas Unterstützung, damit der Neustart, wo Kosten anfallen, aber Einnahmen im nötigen Rahmen vielleicht ausbleiben, nicht misslingt. Braucht es öffentliche Gelder für den «Wiederaufbau»?
Ingold: Die Stadt hat sich bisher vorbildlich verhalten: Es wurden keine gesprochenen Beiträge gestrichen, auch wenn die Veranstaltungen nicht durchgeführt werden konnten. Städtischen Mittel sollten auch für den Neustart zur Verfügung stehen. Das heisst: wir müssen jene Strukturen stützen, die Kultur erst ermöglichen. Kulturschaffende sind per se agil und schöpferisch. Ich bin zuversichtlich, dass wir bald wieder ein blühendes Kulturleben in Solothurn haben.

Kultur ist auch Wirtschaft: Schweizweit setzt sie rund 16 Milliarden um, ein Haus wie die Kulturfabrik Kofmehl verfügt über eine Wertschöpfung von jährlich etwa 1,5 Millionen. Wie sehen Sie das? Braucht Kultur auch wegen dieser Tragweite Förderung und Unterstützung?
Ingold: Darauf bin ich in einer obenstehenden Frage bereits eingegangen. Die meisten kulturnahen Betriebe und Anlässe brauchen Förderung und Unterstützung, da sie nicht selbsttragend sind. Diese zu gewähren ist nicht nur richtig und wichtig. Wenn man genau rechnet, ist der Mehrwert, der durch die erzeugte Wertschöpfung bei Hotellerie, Gastronomie und Gewerbe entsteht, grösser als was die Stadt für Kultur ausgibt. Wir würden uns also nur schaden, wenn wir die Kultur nicht unterstützen würden.

Zum Abschluss ganz grundsätzlich und pragmatisch gefragt: Was darf die Kultur von Ihnen erwarten?
Ingold: Ich bin ein bekennender Fan von unseren vielfältigen Kulturanlässen und mir ist bewusst, dass die Kultur für unsere Stadt ein sehr wichtiges Standbein ist. Wir dürfen stolz sein auf die weite Ausstrahlung und Anziehung, welche Solothurns Kultur hat. Ich bin oft an kulturellen Anlässen anzutreffen und dies würde sich sicher nicht ändern als Stadtpräsidentin, ich würde mich als Botschafterin unserer Kulturstadt verstehen! Für mich ist Gertrud Dübi-Müller ein Vorbild als Künstlerin und Solothurnerin: Eine wagemutige, weltoffene, kreative Frau, die darüber hinaus dem Kunstmuseum Solothurn eine Gemäldesammlung von Weltrang hinterliess. Das ist kulturelle Nachhaltigkeit, wie ich sie mir wünsche!

Stefanie Ingold ist Mitglied des Vereins, der hinter zmitz steht. Was der andere Stapi-Kandidat, Markus Schüpbach, geantwortet hat, liest Du hier.

zmitz würde es ohne Fabian nicht geben. Denn im Jahr 2014 gründeten er und Lucilia den Kulturblog, um die vielseitige Kultur rund um Solothurn sichtbar zu machen. Fabian erzählt unter anderem die Hintergrundgeschichten. Denn auf dem Kulturparkett fühlt er sich wohl, kennt die Kulturschaffenden mindestens genau so gut wie die Kulturveranstalter und weiss auch um kulturpolitische Zusammenhänge. Als Blogger ist er in allen Sparten zuhause. Er ist aber nicht nur Co-Leiter der Redaktion, sondern kümmert sich als Präsident des Vereins darum, dass auch formal bei uns nichts aus dem Ruder läuft.