Chöre sind seit Ende Oktober ganz «stillgelegt». Proben und Auftritte sind nicht mehr möglich. Wie still es tatsächlich bei dem wohl bekanntesten Solothurner Chor – bei den Singknaben – ist, erzählt Präsident Nourdin Khamsi.
Foto: Tina und Thomas Ulrich
Wie sah der Betrieb bei den Singknaben bis zum Bundesratsentscheid Ende Oktober aus?
Die Zeit seit dem Frühling verlangte den Singknaben einiges ab. Es mussten neue Lösungen her, die durch ein unglaubliches Engagement des ganzen Teams gefunden werden konnten. Musikalische Leitung, Leitung Nachwuchs und Stimmbildungsteam haben per Video-Konferenzen die Lage regelmässig neu beurteilt und die Planung den bundesrätlichen und kantonalen Massnahmen angepasst. Auf der einen Seite galt es, ein Schutzkonzept zu erarbeiten und auf der anderen Seite stand der Umgang mit der Situation, die Findung zusätzlicher Räume, die Aufteilung der Register und des Chores in Kleingruppen. Mit Abstand, in kleinen Gruppen und mit Maske wurden Proben und Stimmbildung durchgeführt. Das alles verlangte auch vonseiten der Singknaben-Eltern viel Flexibilität. Mit Bewunderung blicke ich auf die geleistete Arbeit und die entgegengebrachte Bereitschaft, alles im Rahmen des Möglichen zu machen, um den Chorbetrieb aufrechtzuerhalten.
Mit den neuen Massnahmen ist klar: Chöre dürfen im Moment weder proben noch auftreten.
Ein ziemlicher Hammer, ja. Aber in Anbetracht der Lage und unseres regelmässigen Austausches auch nicht ganz unvorhersehbar. Gut für die Singknaben war, dass durch die vorgängige restriktive Umsetzung der Massnahmen und die gesammelten Erfahrungen mit dem Probenbetrieb via Zoom schnell gehandelt werden konnte. Nicht in unsere Hände spielt – wie vielen anderen Kultur- und Jugendförderern auch – die Situation an und für sich. Das Proben, die Stimmbildung und die Konzertvorbereitung via Zoom steht in k(l)einem Verhältnis mit der effizienten Arbeit vor Ort. Auch leiden das Gesellschaftliche, der persönliche Austausch und die Emotionen. Aber klar ist: Die Gesundheit steht im Vordergrund.
Was geht aktuell in euren Köpfen vor?
Viel! Besondere Situationen machen aber auch erfinderisch und geben Mut für Neues. Wir sind ein Team mit vielen – teils verrückten – Ideen. Wirklich spruchreif sind sie allerdings noch nicht. Natürlich sind wir auf jede Medienkonferenz des Bundesrates oder der Solothurner Regierung gespannt, denn sie sind es, die uns den möglichen Spielraum vorgeben. Was wir gemerkt haben: Wir stehen als Knabenchor nicht alleine da. Die Singknaben wurden von renommierten Knabenchören aus Deutschland und Österreich – u. a. den Augsburger Domsingknaben oder dem Tölzer Knabenchor – angefragt, Teil eines internationalen Events zu sein. 45 Knabenchöre werden am 14. November um 11.55 Uhr digital zusammenkommen und die Begeisterung fürs Chorsingen zu den Leuten bringen.
Nächsten Monat wäre DER Auftritt der Singknaben: Das traditionelle Weihnachtsoratorium. Was passiert damit?
«DER Auftritt» trifft den Nagel auf den Kopf. Seit 40 Jahren führen die Singknaben das Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach jährlich auf. Was damit passiert und wie der Singknaben-Dezember aussehen wird? Eine gute Frage. Eine Frage, die ich noch nicht beantworten kann. Was ich aber mit Garantie sagen kann: Einen Schlussstrich unter das Jahr 2020 haben die Singknaben noch lange nicht gemacht. Nicht nur für den Chor, sondern auch für viele Familien und Konzertbegeisterte sind unsere Advents- und Weihnachtskonzerte von grosser Bedeutung. Auch hier ist Innovation gefragt. Ziel ist es, die warmen Klänge der Chormusik auf irgendeine Art und Weise an die Leute zu bringen.
Ohne Auftritte wird es für die Sänger motivationstechnisch wohl schwierig?
Egal unter welchen Umständen: Unsere Arbeit besteht darin, dass die Sänger von klein bis gross Freude am Singen haben. Vielleicht ist die eine Probe oder Stimmbildungslektion über Zoom mal anders, mal spielerischer, mal entspannter. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass der weiterführende Chorbetrieb in dieser turbulenten Zeit auch Halt und Struktur geben kann und einen das gemeinsame Singen – trotz der Distanz – zusammenbringen kann. Es bietet zudem die Möglichkeit seine Sing-Kollegen überhaupt zu sehen und ich staune immer wieder: Die Augen der Jungs können auch durch den Bildschirm hindurchfunkeln. Solange sie das machen, wissen wir, die Freude und Motivation ist da. Zudem hatte Chorleiter Andreas Reize eine neue tolle Idee: das «Stuben-Singen mit dem Chorleiter der Singknaben»! Jeweils am Samstag zwischen 17 und 18 Uhr treffen sich Sänger, Eltern, Freunde und Bekannte zum gemeinsamen Singen via Zoom. Vom einfachen Kanon über mehrstimmige Volkslieder bis hin zu Advents- und Weihnachtsliedern wird gemütlich aus der warmen Stube zusammen gesungen. Interessierte dürfen sich sehr gerne melden (sekretariat@singknaben.ch).
In welchen Bereichen wird sich diese «Corona-Situation» nachhaltig auf euren Chorbetrieb auswirken?
Ich denke, dass wir viel aus diesen Erfahrungen mitnehmen werden. Ein Beispiel ist der Umgang mit der digitalen Welt. Bisher hat ein Konzert lediglich die Zuschauer*innen vor Ort begeistert. Warum diese Tore nicht öffnen und die Musik live Interessierten in der ganzen Welt zugänglich machen? Einmal eine Probe von zuhause aus mitverfolgen? Eine Konzerttournee per Live-Video aus der Sicht eines Singknaben miterleben? Die Möglichkeiten sind schier grenzenlos. Aber auch in anderen Bereichen werden wir sicherlich einiges mit auf den Weg nehmen. Was ich versprechen kann: Die Singknaben bleiben dran und geben alles!
Ohne Lucilia wäre zmitz nicht zmitz. Denn im Jahr 2014 gründeten sie und Fabian den Kulturblog, um die vielseitige Kultur rund um Solothurn strahlen zu lassen. Aus langjähriger beruflicher Tätigkeit und purem persönlichem Interesse kennt sie die Kulturbetriebe der ganzen Region und denkt immer eine Nasenspitze weiter. Sie ist aber nicht nur Co-Leiterin der Redaktion, sondern auch Vizepräsidentin des Vereins zmitz.