Die neuen Corona-Massnahmen sind ein harter Schlag für die Kulturbranche. Darum hat Musiker J.J. Flück auf Facebook öffentlich gemacht, was ihm durch den Kopf geht. zmitz-Blogger Fabian Gressly hat nachgefragt.
Die diese Woche vom Bundesrat gefällten Massnahmen zur weiteren Eindämmung der Pandemie sorgen dafür, dass viele Kulturinstitutionen wieder dicht machen oder zumindest den Betrieb massiv eindämmen. Museen beispielsweise könnten – wenn sie mögen – noch offen halten. Für Konzertveranstalter wirds bei einer Obergrenze von 50 Personen (bzw. im Kanton Solothurn von 30) aber schwierig. Das trifft beide Seiten – Veranstalter und Musiker. Und es wirft die Frage auf, wie wir mit Kultur als Teil des Lebens und als Beruf mit Einkommen bzw. entsprechenden Ausfällen umgehen. Musiker J.J. Flück hat dem vorgestern auf Facebook (schau hier) Luft gemacht.
Du hast in einem pointierten Post auf Facebook deiner Situation Luft gemacht. Wie viele Konzerte sind dir bis heute in diesem Jahr durch die Lappen gegangen?
Die Absagewelle ist wieder in vollem Gange, mittlerweile sind es gegen 75 Konzerte. Dazu kommen – Viele sehen dies nicht auf den ersten Blick – weitere Konzerte, die gar nicht erst angefragt wurden, die in einem «normalen Jahr» in dieser Saison stattfinden würden.
Magst Du uns sagen, was das finanziell heisst?
Nun finanziell heisst dies, dass gegen 95 Prozent meines Einkommens wegbricht. Da ich sowohl als Veranstalter, wie auch als Musiker/Bandleader, keine Möglichkeiten habe zu verdienen.
Hast Du Unterstützung bei Kanton und Bund beantragt?
Ja, die Unterstützung hat nach Anlaufschwierigkeiten dann schon funktioniert, wobei ich von Kollegen weiss, dass dies nicht in allen Kantonen der Fall ist. Ein erster Teil kam Ende April von der Ausgleichskasse. Ein weiterer Teil dann Mitte Juli vom Kanton bzw. vom Amt für Kultur und Sport. Beide Gesuche waren aufwändig. Diese beiden Ersatzzahlungen alleine hätten nicht gereicht und ich hatte Glück bei der Levedo-Stiftung, die professionelle Jazzmusiker sehr, sehr unkompliziert mit einem monatlichen Betrag von August bis Dezember unterstützt. Somit kam ich dieses Jahr – auch dank Kosten minimieren – gut über die Runden. Der Punkt ist jedoch: Wie es weitergeht, weiss ich noch nicht. Zurzeit fliesst kein Geld mehr. Insbesondere um nächstes Jahr mache ich mir mehr Sorgen, da es sich abzeichnet, dass noch länger nichts finanziell Relevantes läuft.
Du bist nicht nur selbst Musiker, sondern Du verpflichtest auch andere Musiker für deine Bands, Auftritte usw. Wie siehts da aus? Müssen die für sich selbst schauen?
Bezüglich Ersatzzahlungen muss jede/r selber schauen, ja. Musiker/innen sind halt alles freischaffende Einzelpersonen. Ich habe versucht wenigstens diesen Sommer mit dem «Badi Sounds» und der «Attis Soul»-Reihe im Attisholz einigen Musiker/innen einen Auftritt mit normaler Gage zu verschaffen.
Du schreibst, Du und deine Familie hättet euch eingeschränkt. Was heisst das konkret? M Budget statt Globus-Delicatessa-Wocheneinkauf?
Wir sind natürlich kaum weg gegangen, also auch keine Ferien, kaum Benzinkosten, etc. Meine Partnerin hat sich quasi zeitgleich mit dem Lockdown selbständig gemacht und das HSV Clubhaus als Restaurant übernommen. Sie konnte zwar erst zwei Monate später öffnen wegen dem Lockdown, aber wir haben somit als Familie jeweils im eigenen Betrieb essen und so die Haushaltskosten tief halten können.
Wie lange habt Ihr finanziell noch Luft?
Im Moment sieht es halt wieder schlechter aus und Veranstaltungen wie auch Gastro-Aufträge sind eher nicht in Sicht. So zwei bis Monate sollten machbar sein. Spätestens danach müssten halt sowohl für mich wie auch meine Partnerin im Gastro wieder Ersatzzahlungen diverser Art fliessen.
Und danach?
Sollten wir professionelle Kulturschaffende danach tatsächlich im Stich gelassen werden, wird der Moment kommen, wo ich mir einen neuen Job suchen muss. Das ist eigentlich meine grösste Sorge. Schon alleine die gedankliche Auseinandersetzung damit. Ich liebe meine Arbeit und finde sie hat eine Berechtigung in unserer Gesellschaft.
Wie geht es anderen? Du kriegst ja bestimmt das eine oder andere mit…
Da gibt es die unterschiedlichsten Szenarien. Viele haben neben dem Konzertieren einen weiteren, sichereren Job und es geht ihnen nicht so schnell ans «Eingemachte». Deshalb wohl – und wegen (der auch damit zusammenhängenden) mangelnder Lobby-Power ist die Kulturszene noch zu still bezüglich fehlender Unterstützung. Ich kenne durchaus Geschäfte in der Eventbranche, die aufgeben mussten oder kurz davor stehen, wenn nichts passiert. Andere suchen nach kreativen Möglichkeiten Einnahmen zu generieren. Einfach ist das jedoch sicher nicht.
Was können wir «Kulturkonsumenten» machen um zu helfen? Mit aufm-Balkon-klatschen ist ja auch euch nicht geholfen…
In meinem Fall, der Sparte Musik, sind sicher Käufe direkt beim Künstler sehr hilfreich. Wir haben ja vor zwei Wochen unser neues «The Next Movement»-Album rausgebracht und durften dann am Ende nicht mal unsere Plattentaufe, geschweige denn eine Tour machen. Wir haben aber das Album, welches gestreamt bzw. idealerweise gekauft werden kann, sowie coole band-gemachte Merchartikel wie Hoodies, Shirts, Stoffmasken etc.. Den Clubs und Künstlern hilft es auch, wenn gekaufte Tickets nicht storniert oder zurückgegeben werden, sondern man auf das Verschiebedatum wartet. Natürlich darf man immer gerne Musik von Local Bands am Radio wünschen, idealerweise bei SRF. Und seinen Freunden davon erzählen!
Das erwähnte Merchandising, das übrigens wirklich recht cool ist, gibts auf http://thenextmovement.ch/shop
zmitz würde es ohne Fabian nicht geben. Denn im Jahr 2014 gründeten er und Lucilia den Kulturblog, um die vielseitige Kultur rund um Solothurn sichtbar zu machen. Fabian erzählt unter anderem die Hintergrundgeschichten. Denn auf dem Kulturparkett fühlt er sich wohl, kennt die Kulturschaffenden mindestens genau so gut wie die Kulturveranstalter und weiss auch um kulturpolitische Zusammenhänge. Als Blogger ist er in allen Sparten zuhause. Er ist aber nicht nur Co-Leiter der Redaktion, sondern kümmert sich als Präsident des Vereins darum, dass auch formal bei uns nichts aus dem Ruder läuft.