Kurz vor dem Lockdown konnte die Solothurner Autorin  Regula Portillo in der Buchhandlung Lüthy in Solothurn noch ihr neues Buch «Andersland» vorstellen. Bloggerin Lucilia Mendes von Däniken war dabei und hat das Buch inzwischen in Ruhe gelesen.

2017 habe ich Regula Portillos Buch «Schwirrenflug» gelesen. Es war damals nicht «Liebe auf den ersten Blick», wie man hier nachlesen kann. Der Einstieg in ihr neues Buch «Andersland» fiel mir viel leichter: Matilda wächst ohne ihre Mutter auf. Sie lebt bei ihrem Vater in der Schweiz und verbringt viel Zeit mit ihrem Onkel sowie dessen Partner MIchael. Die Mutter ist weit weg. Sie lebt in Mexiko und hatte in Matildas Leben bis anhin nicht wirklich einen Platz. Matilda ist glücklich und wird geliebt. Dann stirbt der Vater. Für Matildas Onkel ist klar, dass sie bei ihm wohnen wird. Er will sich um sie kümmern. Doch ein schwules Paar darf zu der Zeit keine Kinder aufziehen. Matilda kommt zu einer Pflegefamilie. Auch diese kümmert sich gut um sie. Doch Matilda und ihr Onkel leiden.

Und dann taucht plötzlich die Mutter Lucía auf, die vom Tod von Matildas Vater erfahren hat. Lucía nimmt Matilda mit nach Mexiko. Der Onkel ist untröstlich und fällt in eine Depression. Doch Matilda fühlt sich wohl in ihrem neuen Zuhause. Sie wird in Mexiko gut von der Familie aufgenommen und mit Liebe umhüllt. Sie lernt den Schmerz auszuhalten und sich in ihr neues Leben einzufügen. Schon bald spricht sie fliessend Spanisch – und mit jedem neuen Wort scheint ein bis anhin bekanntes verloren zu gehen. Bis Matilda kein Schweizerdeutsch mehr kann – und auch sonst die Erinnerung an ihr früheres Leben immer mehr verblasst. Lucía, ihr Mann Fabio sowie deren gemeinsamer Sohn geben Matilda alles was sie braucht. Nur die Vergangenheit, die wird ausgeklammert. Briefe vom Onkel werden abgefangen. Lucía will ihre Tochter vor weiterem Schmerz beschützen, hat Angst, dass sie die Erinnerungen an ihr früheres Leben zerreissen.

Während Tobias und Michael in der Schweiz leiden und Matilda vermissen, geniesst Matilda ein gutes Leben: Sie reist erstmals in ihrem Leben ans Meer, verbringt vergnügte Stunden bei ihren Grosseltern. Nur ab und zu kommen Fragen. So zum Beispiel eben am Meer: «Wo liegt die Schweiz?», fragt sie ihre Mutter. Diese antwortet: «Hinter den Wellen.»

Doch dann erkrankt Lucía an Krebs und stirbt. Matilda, inzwischen eine junge Frau, baut sich einen Kokon um sich auf. Lässt Nähe zu, aber versucht allzu starke Bindungen zu vermeiden. Sie merkt, dass ihr der Boden unter den Füssen fehlt. Die langjährige Entwurzelung fordert ihren Tribut. Und nach und nach tauchen Fragen auf. Ihre Vergangenheit rückt wieder näher an die Gegenwart. So nahe, dass sie endlich den Mut fasst, nach ihren Wurzeln in der Schweiz zu forschen und ihren Onkel zu kontaktieren.

Regula Portillos Roman «Andersland» ist ein liebevoller Roman, ein ruhiges Buch, das gut tut und trotzdem auch unbequeme Themen einen Rahmen gibt. Dabei steht zwar Matildas Geschichte im Mittelpunkt, im Nebenstrang läuft aber auch die Geschichte von Onkel Tobias und gibt so einen Einblick in die Schwulenbewegung in der Schweiz. Für mein Empfinden drückt die Geschichte nicht zu sehr auf die Tränendrüse. Und doch berührt sie unglaublich und zeigt auf, dass wir unsere Wurzeln niemals ganz aufgeben – auch wenn uns die Flügel woanders hin tragen.

Regula Portillo hatte vor wenigen Tagen einen Auftritt am Radio SRF. Zu finden ist die Aufzeichnung hier.

Das Buch «Andersland» kann man unter anderem hier kaufen.

Und du fragst dich, warum das Buch auf dem Foto oben noch eingepackt ist? Ganz einfach: Das wartet auf DICH! Wir dürfen ein Exemplar von «Andersland» weitergeben. Schick doch bis Sonntag eine Mail an uns und vielleicht hast du das Buch schon bald im Briefkasten.

Ohne Lucilia wäre zmitz nicht zmitz. Denn im Jahr 2014 gründeten sie und Fabian den Kulturblog, um die vielseitige Kultur rund um Solothurn strahlen zu lassen. Aus langjähriger beruflicher Tätigkeit und purem persönlichem Interesse kennt sie die Kulturbetriebe der ganzen Region und denkt immer eine Nasenspitze weiter. Sie ist aber nicht nur Co-Leiterin der Redaktion, sondern auch Vizepräsidentin des Vereins zmitz.