Romeo und Julia – DER Klassiker. Auch wer das Werk nicht gelesen hat, kennt den Inhalt. Das TOBS hat sich diesem Stück angenommen und in einer in den 80er-Jahren geschriebenen Version umgesetzt. Bloggerin Lucilia Mendes von Däniken war aber wegen der Länge des Stücks etwas skeptisch.
Bei meinem zweiten Einsatz als Beleuchtungsstatistin darf ich schon etwas in die Produktion von «Romeo und Julia» hinein schauen. Das Bühnenbild ist wenig romantisch: nichts von Verona, von Balkonen, von denen Liebesschwüre verbreitet werden. Stattdessen eine graue Rampe, durchzogen von einem Graben und umgeben von kubischen Elementen, die sich rostfarbig präsentieren. Das Licht eher düster – oder dann wieder grell-hell.
Neugierig geworden, entschloss ich mich, eine Probe zu besuchen. Vorher informierte ich mich über die Dauer des Stücks: Drei Stunden, hiess es. Drei Stunden? Ich wurde unsicher. Als ungeübte Theaterbesucherin fürchtete ich, dass ich das nicht aushalten würde. «Zum Glück gibt’s eine Pause, da kann ich sonst abhuschen», so meine Einstellung.
Nichts mit Abhuschen. Los geht es mit einer Fechtszene, die so temporeich ist, dass man von der ersten Sekunde an den Atem anhält und gebannt dem Treiben auf der Bühne zuschaut. Die Schauspieler kämpfen, sie stöhnen, schreien, sie sind schweissnass und arbeiten mit einer unglaublichen Präzision. Die Fechtszenen ziehen sich durchs ganze Stück, dienen als Muskelspiel und Machtkampf zwischen testosterongeschwängerten Machos oder als tragisches Showdown. Dazwischen Szenen voller Leidenschaft, voller Liebe und Ängste sowie der Macht der Familienfehde zwischen Julias und Romeos Familie, welche das Liebesglück der Beiden bedroht.
Als Zuschauer leidet man mit, man schmilzt dahin, man ist gefesselt. Die Sprache manchmal frech und derb («Lollipop hat angerufen. Du bist ein Lutscher.»), manchmal nahe an Shakespeares Poesie. Die Kostüme irgendwo zwischen klassisch und eben auch wieder modern. Die Zofe im prunkvollen Kleid inkl. Reif unter dem Rock. Die Männer zum Teil in Fechtkleidung. Julia mit Blümchenkleid und Springerstiefeln, welche ebenfalls mit Blümchen geschmückt sind.
In der Pause verwerfe ich den Gedanken, das Theater zu verlassen. Ich weiss, dass ich bleiben muss – nein will. Ich will wissen, wie es weiter geht, ich will mich weiter im Strudel von Gefühlen und von Tempiwechseln mitreissen lassen.
Die schauspielerische Leistung ist absolut faszinierend. Drei der Protagonisten möchte ich besonders erwähnen: Die Solothurnerin Barbara Grimm – mit Arm im Gips – strahlt eine unglaubliche Kraft aus. Julia (Antonia Scharl) drückt die Liebe und den Schmerz mit einem starken Mimik-Spiel aus. Und wie Dimitri Stapfer – auch er ein Solothurner – als Romeo beatboxend (!!), fechtend, liebend und rebellierend um seine grosse Liebe kämpft, um am Schluss neben ihr zu sterben, ist schlicht und einfach umwerfend.
Jede, aber wirklich jede einzelne der 180 Theaterminuten (inkl. Pause) hat sich gelohnt. Und ich überlege mir ernsthaft, mir das Stück noch ein zweites Mal anzuschauen. Punkt!
Ohne Lucilia wäre zmitz nicht zmitz. Denn im Jahr 2014 gründeten sie und Fabian den Kulturblog, um die vielseitige Kultur rund um Solothurn strahlen zu lassen. Aus langjähriger beruflicher Tätigkeit und purem persönlichem Interesse kennt sie die Kulturbetriebe der ganzen Region und denkt immer eine Nasenspitze weiter. Sie ist aber nicht nur Co-Leiterin der Redaktion, sondern auch Vizepräsidentin des Vereins zmitz.