Bei der Inszenierung von «Wir sind Hundert» im Theater Biel Solothurn denkt zmitz-Bloggerin Mirjam Staudenmann an einen 90ies-Song. Aus Langeweile?
Richard David Prechts Frage «Wer bin ich, und wenn ja, wie viele?» erhält im Stadttheater Solothurn eine neue Dimension. Dann nämlich, wenn drei Frauen auf der Bühne stehen und eine Lebensgeschichte erzählen. Dabei wird schnell klar: Sie erzählen die gleiche Geschichte aus drei Perspektiven, mit drei Stimmen quasi: Die jüngste der Frauen (Tatjana Sebben) verkörpert die Revolutionärin, die junge Stimme der Frau. Sie hat Träume, möchte die Welt retten, spricht an, dass sie mit ihrer Ehe nicht zufrieden ist. Die Mittelalterliche (Atina Tabé) dagegen ist die Sicherheitsliebende. Sie weiss, wie es sich für eine Frau zu sitzen, stehen, reden schickt. Sie kocht für ihren Mann, lässt den Schmerz zu, den er ihr antut und hat gelernt, das Leid wegzulächeln. Die älteste der drei Stimmen (Barbara Grimm) spielt das altersweise Gewissen. Währenddem die Lebensgeschichte erzählt wird, versucht sie immer wieder die Aussensicht einzunehmen, probiert zu schlichten und zu relativieren, aber auch, Dinge direkt anzusprechen.
Mir als Kind der 90er kommt das Lied von Meredith Brooks in den Sinn: «I’m a bitch, I’m a lover, I’m a child, I’m a mother, I’m a sinner, I’m a saint». Das Tobs bringt mit der Inszenierung von Jonas Hassen Kherimis Roman «Wir sind Hundert» sicherlich kein neues Thema aufs Parkett. Doch freut es mich trotzdem, dass man (bzw. frau) durch die intensiven Präsenz der drei Schauspielerinnen nicht darum herumkommt, sich einige Fragen zu stellen: Hören wir genug oft auf die Rebellin in uns, auf unsere «bitch», auf unser «child»? Wie viel nehmen wir hin und lächeln wir weg? Und schaffen wir es bereits, das eine oder andere zu relativieren?
Wir sind vielleicht Drei, vielleicht Vierunddreissig, vielleicht Hundert. Doch eines steht fest: Wir haben nur ein Leben. Mit diesem Satz entlässt uns auch das Tobs wieder in die Nacht. Er hallt noch etwas nach….
«Wir sind Hundert» wird in Solothurn noch am 4. und 5. November aufgeführt. In Biel finden diverse Aufführungen im Oktober und November statt.
Seit der ersten Stunde bei zmitz dabei, ist sie sich bewusst, dass Kultur nicht immer allen gefallen muss. Sie aber weiss, was ihr passt. Soll nicht heissen, dass sie auch einmal über den Tellerrand ihrer eigenen Kultursuppe hinausblickt und Dinge erkundet, die nicht unbedingt ihr Ding sind. Ihr Herz schlägt für Musik – ob ab Bühne oder Konserve – und vor allem für alles, was nicht so ganz in ein Schema passen mag. Und weil sie im Hintergrund aktiv mitdenkt, bleibt zmitz nicht so gut wie ehedem, sondern wird stets besser.