Bloggerin Sabrina Moser ging am Samstag abend mit ihrem Sohn für ein Chorkonzert in die Jesuitenkirche. Die Singknaben der St. Ursenkathedrale Solothurn beleuchteten den Abend.

Ich bin vielleicht nicht ganz unvoreingenommen. Als Mutter oder als Vater eines Singknabens ist man schliesslich nicht unbeteiligt am Endergebnis. Sicherlich stehen wir nicht vorne im Rampenlicht. Dafür arbeiten wir still und leise im Schatten – und wir erscheinen immer wieder – erschöpft, stolz, aufgeregt – an den Konzerten. In den Wochen und Monaten davor haben wir unsere Knaben aufgemuntert in die zweimal wöchentlichen Proben zu gehen. Wir koordinieren die Termine, fahren Knaben hin und her, räumen für die ganze Familie das Konzertwochenende frei. Wenn der Termin näher rückt, schauen wir, dass das schicke blaue Tenue gewaschen und gebügelt ist. Passen die Schuhe noch? Wo ist denn der Gürtel? Und am Konzerttag selber sorgen wir dafür, dass der Knabe sich am Nachmittag nicht schon verausgabt, dass er vor dem Einsingen genug im Magen hat, dass er ja pünktlich ankommt. Und warten muss man auch gut können. Denn die Zeit zwischen dem Abliefern eines Singknabens und dem Konzertbeginn gibt nicht viel her. Vielleicht ist Zeit für einen Kaffee oder einen Rundgang, und dann huschen wir schnell rein in die Kirche. Die Vorstellung beginnt.
Ab dem Moment in dem der musikalische Leiter, Andreas Reize, seinen Knaben den ersten Ton anstimmt, wissen wir Eltern, dass die ganze Arbeit im schattigen Hintergrund des Familienlebens es wert war. Denn die Singknaben der St. Ursenkathedrale Solothurn beleuchten und bereichern mit ihren Stimmen auf ganz einzigartige Art und Weise. Das vielfältige Konzert am vergangenen Wochenende unter der Rubrik «Die Musik alter Meister trifft auf moderne Zeitgenossen» war keine Ausnahme. Von Bach und Schütz zu Mealor und Whitacre legten die Singknaben eine Virtuosität und eine musikalische Flexibilität an den Tag, die unter den Knabenchören dieser Welt nicht selbstverständlich sind.

Ich weiss, ich bin nicht ganz unvoreingenommen.
Aber die Komplexität der Werke, die die Singknaben immer wieder aufführen, ist für uns Musikkenner, Eltern hin oder her, beeindruckend. Ob es sich um eine Motette für sechsstimmigen Chor und dreistimmigen Fernchor handelt, wie bei Bachs «Unsere Leben ist ein Schatten» oder um die ineinander fliessenden Dissonanzen eines «Water Night» von Eric Whitacre, die Knaben lassen sich nicht aus der Fassung bringen. Ganz anders als wir Erwachsene denken sie nicht darüber nach, wie schwierig ein gewisses Stück sein mag. Sie singen einfach das, was sie geprobt haben: Mit scharfer Diktion, mit präzisen Tönen, mit Gefühl, mit  Hingabe, mit Aufstellung und mit Choreografie.

Wie man es von Andreas Reize kennt, werden auch die Räumlichkeiten für jedes Konzert optimal genützt. So war das auch am Samstag. Für den Konzertbeginn mit Scarlatti und Bach reihte er die Knaben hinten im Balkon der Jesuitenkirche auf. Die Musik der alten Meister prasselte aus der zeitlichen und räumlichen Entfernung auf uns nieder, und mit jedem musikalischen Schritt in die Moderne kamen die Singknaben näher, bis sie am Schluss direkt vor ihrem Publikum standen. Höhepunkt des Abends war dann die Aufführung von Alex Turleys 2006 «Skyfall», durch James Bond berühmt geworden, aber als Chorversion durch die Solothurner Singknaben ins wahre Leben gerufen. Wir konnten nicht anders, wir mussten klatschen, obwohl das Konzert nicht ganz zu Ende war.

Ich weiss, ich bin nicht ganz unvoreingenommen.
Schliesslich stand mein eigener Sohn da vorne im Rampenlicht, und auch viele andere Jungs, die ich liebgewonnen habe, standen neben ihm. Aber wenn das Leben, wie Bach es uns durch seine Motette zu glauben gibt, ein Schatten ist – voller Pflichten, Terminen, Pünktlichkeit, dann werfen unsere Singknaben doch das Licht.