Zwei Bloggerinnen haben je eine Aufführung von «Die Zirkusprinzessin» der Bühne Burgäschi besucht. Während Mirjam Staudenmann sich noch an die Operetten-Welt herantastet, fühlt sich Sabrina Moser darin schon recht wohl. Unterschiedliche Ansätze, unterschiedliche Urteile?

Zum Glück stark gewürzt

Mirjam Staudenmann

Leichte Kost für einen heissen Sommerabend

Sabrina Moser

Vor zwei Jahren und als Operetten-Debütantin beim «Vogelhändler» war ich noch froh, dass ich die Geschichte verstanden hatte. Ich dachte, vielleicht sei ich den grossen Künsten nicht gewachsen. Zwei Jahre später – wieder auf der Bühne Burgäschi – glaube ich, etwas bei Operetten begriffen zu haben: Es geht vor allem einmal um Intrigen – und um die Liebe natürlich. So auch bei der «Zirkusprinzessin». Der im Zirkus Stanislawski gefeierte Artist Mister X trifft nach Jahren seine verflossene Liebe, Fürstin Fedora Palinska im Zirkus. Sie war die Gattin seines mittlerweile verstorbenen Onkels, welcher wiederum ihn, seinen Neffen, enterbt hatte, als dieser ihm von seiner Zuneigung zu Fedora erzählte. Auch Prinz Sergius ist in Fedora verliebt und nicht erfreut, als diese ihm einen Korb gibt. Und so «zwingt» Prinz Sergius den Artisten Mister X, sich als falschen Prinzen auszugeben. Fedora verliebt sich – schwupps – in den falschen Prinzen Mister X, heiratet ihn und damit natürlich unter ihrem Stand, was sie aber nicht weiss. Bis Prinz Sergius dies aufklärt, Fedora zuerst den falschen Prinzen verteufelt, ihn aber dann doch liebt.

Die Geschichte ist so ungeheuer einfach, dass sie schon fast wieder kompliziert erscheint: Also wieso genau hat sich der Mister X jetzt als falschen Prinzen ausgegeben und sie dann auch noch geheiratet, bevor er ihr die Wahrheit gesagt hatte? Womit hat Prinz Sergius ihn «erpresst»? Ich lese es nach der Aufführung noch nach – versuche es zumindest, denn ich bin ziemlich erfolglos. Es ist halt einfach so, er hat sie halt geliebt und wollte bei ihr sein. Na ja, die Angst davor, Operetten inhaltlich nicht zu verstehen, scheint rückblickend ziemlich unbegründet zu sein.

Ehrlich gesagt vermochte mich diese Geschichte nicht zu überzeugen. Dafür, dass sie so unglaublich einfach war, dauerte sie für meine Begriffe zu lange. Was mich jedoch wiederum zu begeistern vermochte, war die Inszenierung, die ich schon in meinen letzten Besuchen der Bühne Burgäschi schätzte. Die Lieder ergriffen mich wieder: Wo ist der Himmel so blau wie in Wien, zwei Märchenaugen, die kleinen Mädeln im Trikot – die Besetzung (viele Solisten davon aus der Region Solothurn/Oberaargau) hat mich in Gesang und Orchester wieder berührt. Ein wunderbares Element bleibt für mich ausserdem der Laien-Chor mit Sängerinnen und Sängern, die während drei Stunden strahlten und dazu noch schön tönten. Wenn auch die Geschichte für mich etwas gar platt war, so waren die sieben Clowns, die die Geschichte durch den ganzen Abend trugen, sie vertieften und sie zum Teil unterstrichen eine Bereicherung, eine kreative Art der Inszenierung, die der oberflächlichen Geschichte Tiefe vermittelte.

Ich bleibe Operetten-Aficionada. Jedenfalls bei der Bühne Burgäschi. Deshalb, weil sie auch eine fade Geschichte zu würzen vermögen. Und trotz dem Fakt, dass das Zirkuszelt zwar zum Stück passte, mir aber die bisherigen Openair-Umsetzungen mehr zusagten.

Von Aussen sah das Ganze bereits vielversprechend aus. Wie oft sieht man doch ein rot-gelb gestreiftes Zirkuszelt frech platziert im saftigen Sommergrün der Wasseramtlandschaft? Bereits am Eingang sorgte ein Orgeldreher für gute Stimmung während die Gäste sich vorab mit Speis und Trank versorgten. Im Zelt selber drehten Clowns und Akrobaten ihre Runden. Sie verteilten Zuckerwatte und tollten zur heiteren Musik des bereits eingestimmten Orchesters herum. Nicht destotrotz: Ich war müde. Es war ein langer Tag gewesen. Und heiss war es auch noch.

Die Bühne Burgäschi versteht offensichtlich was sie tut, denn eine Operette ist eine erfrischende Wahl für heisse Sommernächte. Schwere Opern wären bei diesem Wetter geradezu unverdaulich, viel besser ist leichte Kost mit Musik, zu der man mitsummen kann, selbst wenn man sie zum ersten Mal hört. Genau so war «Die Zirkusprinzessin», eine Operette in drei Akten vom ungarischen Komponisten Emmerich Kálmán, deren Uraufführung 1926 im Wien stattfand.

Liebe zu der Stadt Wien und Liebe zwischen Mann und Frau waren die Hauptthemen des Stücks. Hervorragender Gesang, ein witziges Libretto und ein unermüdliches Orchester sorgten im Zusammenspiel für einen durchaus heiteren Abend, von den Clowns und ihren Streichen ganz zu schweigen. Und wie in Wien bei den berühmten Neujahrskonzerten haben die Zuschauer teilweise sogar bewegt mitgeklatscht. Ich wollte schon immer den Radetzky-Marsch in Wien erleben, die Bühne Burgäschi hat es mir gefühlt fast ermöglicht!

Auch wenn das Gesamterlebnis leicht und süffig war, alles andere als leicht war die Produktion selber. Von abwechselnden Bühnenbildern über zeitgemässen Kostümen bis hin zum Durchhaltungsvermögen der Mitwirkenden, die das Stück über 20 mal aufführen werden: Man spürte durchaus wie viel Schweiss und Fleiss hinter einem solchen erfrischenden Abend stecken. Wer noch die Möglichkeit hat sich an dem Stück zu laben, sollte es nicht versäumen. Denn egal wie lang oder wie heiss der Tag war, man geht aus dem Zirkuszelt beschwingt nach Haus.

Seit der ersten Stunde bei zmitz dabei, ist sie sich bewusst, dass Kultur nicht immer allen gefallen muss. Sie aber weiss, was ihr passt. Soll nicht heissen, dass sie auch einmal über den Tellerrand ihrer eigenen Kultursuppe hinausblickt und Dinge erkundet, die nicht unbedingt ihr Ding sind. Ihr Herz schlägt für Musik – ob ab Bühne oder Konserve – und vor allem für alles, was nicht so ganz in ein Schema passen mag. Und weil sie im Hintergrund aktiv mitdenkt, bleibt zmitz nicht so gut wie ehedem, sondern wird stets besser.