Man schreibt das Jahr 1798, Napoleons Truppen stehen vor der Grenze und im kleinen Dorf Grenchen wird versucht, den Alltag zu leben: Unsere Bloggerin Myriam Brotschi Aguiar war erstaunt und berührt, wieviel Aktualität das Freilichtspiel «Wiiberheer – eine Heldinnensaga» in sich trägt.

Bereits zum achten Mal bringen die Freilichtspiele Grenchen eine Uraufführung auf die Freilichtbühne «Eichholz» in Grenchen: «Wiiberheer – eine Heldinnensaga». Text und Regie des Stücks, welches sich um die drei Grenchner Held/innen Maria Schürer, Elisabeth Frei und dem «Seuze Joggeli» dreht, stammen von Iris Minder. Ich sitze angenehm vorfreudig in der ersten Reihe, vor mir breitet sich das reduziert gehaltene Bühnenbild aus. Langsam füllt es sich mit Leben, Schauspielerinnen und Schauspieler nehmen ihre Plätze auf dem Marktplatz, rund um den Brunnen, im Wäschehaus und dem örtlichen Restaurant ein.

Ich habe schon einige Produktionen der Freilichtbühne Grenchen erlebt, deshalb wusste ich, welche grossartigen Leistungen die Mitwirkenden rund um Iris Minder erbringen können. „Das Wiiberheer» aber ist mir mit jeder Minute stärker unter die Haut gekrochen. Das Stück nimmt die Zuschauer mit in das Jahr 1798, kurz bevor Napoleons Truppen vom Westen kommend in Grenchen einfallen. Wir lernen einfache Menschen kennen, welche unter der Herrschaft der Stadt Solothurn stehen, welche von den Entwicklungen geängstigt und verunsichert sind und trotzdem versuchen, den ganz normalen Alltag zu leben. Schon nach wenigen Minuten befindet sich der Zuschauer mitten drin im Geschehen: Mit der kreativen Dramaturgie und den Dialogen ist Iris Minder Meisterhaftes gelungen, authentisch schwingt das Pendel von Gesprächen, die von der Ernsthaftigkeit des Themas geprägt sind, zu leichter Tändelei und spottendem Foppen – und wieder zurück. Hier blickt der eine voller Sorge Richtung Westen, da wird mit schmeichelnden Worten um die Gunst einer Frau geworben und der andere drückt sogar seine Hoffnung aus, die er mit den Werten «Liberté, Egalité Fraternité» verbindet. Langsam, ganz langsam jedoch braut sich das Unheil über dem kleinen Dorf zusammen, der Ton unter den Menschen wird schärfer, das Stück gewinnt an Intensität und mehr als einmal schüttle ich ungläubig den Kopf: In beinahe jedem gesprochenen Satz lässt sich der Bezug zum heutigen Weltgeschehen herstellen, die Verunsicherung durch die Flüchtlingsströme, die Angst vor Krieg und allem, was uns fremd ist, die Schere zwischen Arm und Reich, Macht und Ohnmacht. Mal dezent, mal eindringlich verwebt sich dazu die Musik von «Les Rubis» mit dem Stück, akzentuiert es, steigert die Dramatik, schmeichelt dem Ohr oder besänftigt die Gemüter.

Das rund 30-köpfige Schauspielerensemble, welches auch einige Lieder singt, macht das Stück zu einem kurzweiligen, berührenden und aufrüttelnden Erlebnis. Stephanie Zeni spielt ihre Rolle als ebenso kecke wie resolute Maria Schürer so gekonnt, dass sie einem das eine oder andere Lächeln auf das Gesicht zaubert und Nadja Rothenbühler versteht es, Elisabeth Frei als grossherzige, versöhnliche, tapfere und mit dem Geist der Hoffnung durchdrungene Frau darzustellen. Mein ganz persönlicher Gänsehautmoment war der Einschub von der Immigrantin Lilou, gespielt von Esther Haudenschild, als sie in einer Art Traumszene mit dem Tod liebäugelt.

«Wiiberheer – eine Heldinnensaga»: Spieldaten im Juni: 22., 23., 24., 29. und 30., im Juli: 1., 4., 7., 8., 12. und 14. (Die Vorstellung vom 13.7. fällt wegen des Uhrencups aus). Beginn: 20.30 Uhr. Eintrittspreise Erwachsene CHF 42, alle Infos sowie Tickets unter www.freilichtspiele-grenchen.ch oder 032 653 14 89. Vorverkauf bei Bücher Lüthy, Bettlachstrasse 8, Grenchen.

Sie ist eine Frau des Wortes und des bewegten Bildes. Denn Kino kanns Myriam so richtig antun. Immer mal auf Reisen, weiss die Grenchnerin aber auch bestens Bescheid, was in ihrer Hood geht. Immerhin ist sie bestens verwurzelt. Und wenn sie hier über einen Anlass bloggt, schafft sie es, den Leser oder die Leserin auf einen kleinen Exkurs in Träumerei mitzunehmen. Dies aber nicht, ohne ihn oder sie auch sanft wieder auf den Boden der kulturellen Realität zurückzuführen.