Am 2. Juli wählt Solothurn sein neues Oberhaupt. Entweder den bisherigen Stadtpräsidenten Kurt Fluri (FDP) oder die gegen ihn antretende Franziska Roth (SP). zmitz hat sich gefragt, wie die beiden so kulturell ticken. Hier die Antworten von Franziska Roth (jene von Kurt Fluri gibt’s hier).
Das Stadttheater ist saniert, der Kulturgüterschutzraum des Kunstmuseums gebaut, das Naturmuseum den aktuellen Bedürfnissen angepasst. Ist nun bei den Kulturinvestitionen bis auf weiteres alles erledigt?
Solothurn wird als Kulturstadt wahrgenommen und das soll auch so bleiben. Deshalb sind hier stetige Anstrengungen und stetige Investitionen unerlässlich. Baulich sollte der Annexbau für das Kunstmuseum wieder ein Thema werden. Das wäre eine nötige und wichtige Ergänzung für dieses Haus. Der amtierende Stadtpräsident hat – als dieser Bau zuletzt ein Thema war – allzu vorschnell die Segel gestrichen, als sich in seinen bürgerlichen Reihen Opposition gegen dieses Vorhaben meldete. Sehr wichtig sind mir aber auch die Arbeitsbedingungen in den städtischen Kulturinstitutionen und in jenen Einrichtungen, welche die Stadt finanziert. Man kann sich nicht mit gutem Gewissen als Kulturstadt brüsten, wenn die Kulturleistungen von Leuten unter sehr prekären Arbeitsbedingungen zustande kommen. So ist das Aufsichts- und Reinigungspersonal in meinen Augen zu sehr schlechten privatrechtlichen Arbeitsbedingungen, ohne einen minimalen sozialen Schutz engagiert. Und auch im Theater gehören angemessene Verbesserungen des GAV auf die Traktandenliste.
Solothurn bezeichnet sich als Kulturstadt und wird als solche wahrgenommen. Sie beheimatet aber kulturelle Veranstaltungen lediglich und steht zwar auch punktuell hinter diesen. Aber an sich, kulturpolitisch, hält sich die Stadt zurück. Sollte sie nicht klarer für diese Institutionen und das Kulturleben einstehen?
Hinter den erwähnten kulturellen Veranstaltungen stehen fast überall private Träger. Das soll auch so bleiben. Eine städtische Kulturpolitik strebt aber an, diese privaten Träger maximal zu unterstützen: Durch zur Verfügungstellen von Räumlichkeiten evt. ohne Gebühren, durch grosszügige finanzielle Unterstützung, durch unkomplizierte und rasche Bewilligungsverfahren. Und vor allem: Durch offene Türen, offene Ohren und offene Herzen im Stadtpräsidium. Ich will mit allen, die in dieser Stadt zu einem vielfältigen kulturellen Leben beitragen, stets im Dialog bleiben. Denn mir ist klar: Ohne dieses kulturelle Leben wäre diese Stadt um einiges ärmer.
Ganz konkret gefragt: Braucht die Stadt nicht eine eigentliche Stelle im Kulturbereich, wie sie jetzt auch in Olten gefordert wird? Oder ein Leitbild auf politischer Ebene? Kann man es sich leisten, als Kulturstadt so etwas nicht zu haben?
Kultur und Kulturförderung ist für mich Chefsache und persönliches Herzensanliegen. Ich bin eine Anhängerin der kurzen und raschen Wege. Eine Stadt, die durch Kultur «inspiriert» ist und somit einen offenen Horizont hat, weiss, dass Kulturförderung mehr sein muss als nur Sponsoring. Sie muss sich die Vielfalt zum Programm machen. Oftmals geht vergessen, dass das kulturelle Angebot nicht aufgrund der grossen etablierten Institutionen so breit ist, sondern nur dank der Kulturschaffenden und privater Initiativen erst möglich wird. Kultur ist nicht einfach da. Sie kommt nicht einfach so vor. Kultur muss erschaffen werden. Kultur ist ein Willensakt und eine Schöpferleistung. Als Stadtpräsidentin will ich nicht einfach Sponsoring betreiben und Bittstellenden Geld überreichen. Als Stadtpräsidentin will ich einen kulturpolitischen Aufbruch initiieren. Dazu braucht die Stadt, wie andere Städte auch, eine Kulturstrategie. Was kann die Kulturstadt Solothurn sein oder eben nicht sein? Solche Fragen sollen mit Beteiligten beantwortet und z.B. in einem städtischen Kulturförderkonzept niedergeschrieben werden.
Die sogenannten Zentrumslasten sind immer wieder ein Thema, also die Frage, wie umliegende Gemeinden, deren Bewohner die städtischen Kulturangebote nutzen, diese Kulturinstitutionen mitfinanzieren sollen. Wo steht die Stadt da aktuell?
Im Rahmen der REPLA wurde ja jetzt eine Lösung gefunden, die die Mitfinanzierung der städtischen Kulturinstitutionen durch die Regionsgemeinden stärker verankert. Grundsätzlich muss ich aber sagen: Unsere Stadt steht im Vergleich mit den meisten Regionsgemeinden sehr gut da, was die finanzielle Lage angeht, was den finanziellen Spielraum angeht, was die Steuerkraft angeht und was schliesslich auch den Steuerfuss angeht. Ich störe mich deshalb daran, dass man der Region mit spitzem Bleistift vorrechnet, was sie uns kostet. Ich finde dies einfallslos – auch der Kultur als wichtiger städtischer Aufgabe gegenüber. Wir sollten stolz sein, städtisches Zentrum zu sein. Wir sollten stolz darauf sein, dass wir ein lebendiges kulturelles Leben haben. Wir sollten stolz darauf sein, dass wir der Region deshalb sehr viel zu bieten haben und dass die Leute aus der ganzen Region hierhin kommen, um ihre Freizeit zu geniessen, Anteil zu nehmen am Kulturschaffen hier und sich mit unserer Stadt identifizieren und nicht ihre Freizeit primär in Bern, Basel oder anderswo verbringen. Unser Ansatz muss sein «Seht, was wir aus freien Stücken der Region alles bringen!» und nicht «Seht, wie viel zu wenig ihr an Leistungen zahlt». Ich bin auch überzeugt, dass eine solche Haltung einige Diskussionen in der Region sehr erleichtert hätte.
Erneut ein Thema ist derzeit das Kulturengagement des Kantons. Dass er Kultur nur über den Lotteriefonds finanzieren lässt und nicht über das ordentliche Budget. Die Stadt Solothurn könnte da für ihre Institutionen – vom Alten Spital über das Kunstmuseum und besagte Film- bzw. Literaturtage bis zu Kulturnacht und Kulturfabrik Kofmehl – besonderes Interesse haben. Steht das auf Ihrer Agenda?
Die Auseinadersetzungen um die immer knapper werdenden Lotteriefonds-Gelder werden in Zukunft eher zunehmen. Deshalb ist es vor allem einmal wichtig, dass diese Gelder nicht für Zwecke verwendet werden, die gesetzlich vorgeschrieben sind. Das ist gesetzlich in der Grauzone, wird vom Kanton z.T. aber so gemacht: So setzt er Lotteriefonds-Gelder für die Denkmalpflege und die Kantonsarchäologie ein, ebenso für eigene Häuser wie das Schloss Waldegg oder das Museum Altes Zeughaus. Damit sollte Schluss sein. Das sollte künftig vollständig aus dem offiziellen Budget finanziert werden. Damit würden bereits beträchtliche Mittel frei für nicht-kantonale Institutionen und das freie Kulturschaffen. Dieser erste Schritt ist einfach zu realisieren, bedeutet er doch nur, die heutigen gesetzlichen Bestimmungen einzuhalten. In einem zweiten Schritt könnte man dann versuchen, dass auch über das ordentliche kantonale Budget kulturelles Schaffen finanziert werden kann. Dieser Schritt ist angesichts der politischen Verhältnisse im Kanton jedoch viel schwieriger, man müsste vermutlich ja auch eine neue gesetzliche Grundlage dafür schaffen. Zum Schluss: Um eine solche Diskussion überhaupt anstossen zu können, muss man zuerst einmal im kantonalen Parlament entsprechend intervenieren können. Ich habe das Glück, im Kantonsrat zu sein und eine solche Diskussion anstossen zu können. Ich würde dieses Mandat auch dann beibehalten, falls ich zur Stadtpräsidentin gewählt werden sollte. Im Gegensatz zu einem Mandat im nationalen Parlament ist nämlich eine Mitgliedschaft im kantonalen Parlament für die Stadt äusserst wichtig, denn hier werden – wie auch das Beispiel der Kultur zeigt – die für die Stadt wichtigen Entscheide gefällt.
Grad brandaktuell steht die Nachtkultur im Fokus. Ist Partyende um 0.30 Uhr unter der Woche und 2 Uhr am Wochenende zu früh? Es stehen sich Baugesetz und Wirtschaftsgesetz, einmal mehr, im Weg. Es kann ja nicht sein, dass Veranstalter sich nicht mehr trauen Konzerte zu planen und das Nachtleben zum Erliegen kommt, weil sie jemandem zu laut sein könnten. Wie ist das zu lösen?
Wir müssen unbedingt Sicherheit und Verlässlichkeit schaffen für all die Veranstalter und die Besucher des regen Solothurner Nachtlebens. Und nicht, wie es jetzt gerade geschieht, die Leute mit bürokratischen Schikanen zu vergraulen. Deshalb sollte die Stadt nach folgendem Muster verfahren: Jeder Veranstalter, der sich nach den Regelöffnungszeiten richtet (unter der Woche bis 0.30 Uhr, Fr/Sa bis 4.00 Uhr), sollte dies ohne bürokratische oder polizeiliche Schikanen tun dürfen. So will es übrigens das kantonale Gesetz. Für weitergehende Ansprüche soll die Stadt grosszügig Ausnahmebewilligungen erteilen, und zwar bis zum Abschluss der Ortsplanungsrevision. Auch das sieht das kantonale Recht vor. Und drittens ist die Frage des Nachtlebens durch angepasste Zonenvorschriften im Rahmen der laufenden Ortsplanungsrevision grundsätzlich zu lösen. Genau diese drei Punkte sind Inhalt meiner Motion zum Nachtleben, die ich anlässlich der letzten Gemeinderatssitzung eingegeben habe. Nebenbei bemerkt: Sicherheit und Verlässlichkeit hätte man bereits vor eineinhalb Jahren von Seiten der Stadt schaffen können und sollen, nämlich als das Gesetz in Kraft trat. Das hat man im Stadtpräsidium «die Nacht» am Tag verschlafen, und auch jetzt befindet man sich im besten Fall in einer langen Aufwachphase und verschanzt sich hinter Paragrafen. Das ist nicht der Umgang, den ich mit Leuten zu pflegen gedenke, die in dieser etwas bewegen wollen. Ich gehe auf die Leute zu, suche das Gespräch und suche rasch Lösungen zu finden.
Zum Schluss noch zwei persönlichere Fragen: Wie sieht eigentlich Ihr persönlicher Kulturkalender aus? Wo trifft man Sie an?
Also, wer mich auf meinen kulturellen Trips begleitet, muss einerseits offen für die Vielfalt des Angebots sein und andererseits ab und zu aus Solothurn heraus gehen. Man besucht mit mir dunkle Keller, wo die Alternativkunst einem geistige Präsenz abverlangt, und Architektur die einen zum Staunen bringt. Man kämmt mit mir die Plattform der Schweizer Museen durch und googlet für die Ferien nach Institutionen im Ausland, meistens fahren wir dann nach Italien. Man steigt mit mir in rauchige Jazzkeller ab, sitzt auf Stühlen bei einem Beethovenkonzert, feuert meinen Cousin im Mutz am Jodlerfest an und tanzen z.B. in Avenches zu Placebo. Wer mich begleitet, wird erkennen, dass ich «mucksmäuschenstill» Lesungen geniesse, im Kino im Sekundentakt weinen und lachen kann. Er oder sie besucht mit mir Galerien und in einer Galerie in Solothurn serviere ich ihnen im November/Dezember feines Essen, gekocht von Kunstschaffenden. Sie müssen es aushalten, dass ich viele Kunstschaffende kenne und plötzlich ganz spontan eine Ausstellung besuchen, sie müssen schlicht und einfach Freude haben, von «der Kultur beleckt» zu sein.
Und was wäre, wenn es hier in der Stadt kein Kulturleben mehr gäbe? Kein Stadttheater, keine Museen, kein Kofmehl, keine Kleinkunst….
Dann kommt mir grad Ben in den Sinn: Soleure, n’existe pas! Dann wäre Solothurn keine Kulturstadt, sondern eine Schlafstadt. Und man munkelt, dass es Leute in der Verwaltung gibt, die heftig daran arbeiten, aus Solothurn eine Schlafstadt zu machen.
zmitz würde es ohne Fabian nicht geben. Denn im Jahr 2014 gründeten er und Lucilia den Kulturblog, um die vielseitige Kultur rund um Solothurn sichtbar zu machen. Fabian erzählt unter anderem die Hintergrundgeschichten. Denn auf dem Kulturparkett fühlt er sich wohl, kennt die Kulturschaffenden mindestens genau so gut wie die Kulturveranstalter und weiss auch um kulturpolitische Zusammenhänge. Als Blogger ist er in allen Sparten zuhause. Er ist aber nicht nur Co-Leiter der Redaktion, sondern kümmert sich als Präsident des Vereins darum, dass auch formal bei uns nichts aus dem Ruder läuft.