Bloggerin Sabrina Moser liess das Wirrwarr eines Festes für Kinder und Familien in der Solothurner Altstadt links liegen und genoss entzückt in der Jesuitenkirche eine Aufführung von Motetten der Thomaskantoren Leipzig in den Zeiten vor Bach.

«Betet an den Herren im heiligen Schmuck; es fürchte ihn alle Welt», so heisst es in Psalm 96, vertont von Sethus Calvisius, einem deutschen Komponisten des 17. Jahrhunderts. Sethus Calvisius? Wer ist denn das? Diese Frage stellte sich wohl selbst für die Gebildetsten unter den Konzertbesuchern, denn sein und die anderen Namen auf dem Programm des jüngsten Konzerts des Gabrielichors waren nicht unbedingt geläufig. Chorleiter Andreas Reize stellte ein spannendes Programm zusammen, in dem er die Thomaskantoren Leipzig in der Zeit vor Bach vorstellte. Die Idee war es, einen Lichtstrahl auf diese uns unbekannten Komponisten zu werfen, denn sie stehen sonst im Schatten Bachs, der selbst von 1722 bis zu seinem Tod 1750 Thomaskantor war. Als Kantor war man verantwortlich für die musikalische Ausbildung der Knaben, die aus der weiteren Umgebung von Leipzig rekrutiert wurden, um im anspruchsvollen Thomanerchor zu musizieren.

Aber genug erstmals dazu. Auch wenn die Namen auf dem Programmheft mir unbekannt waren, wirkte die aufgeführte Musik doch vertraut. Der Gabrielichor führte die komplexen Motetten mit einer Leichtigkeit auf, die wunderbar zu dem «heiligen Schmuck» der Jesuitenkirche passte. Dazu versteht Andreas Reize die Akustik und somit den Raum dieser Kirche mit Geschicklichkeit auszunutzen. Für das erste Stück, eine Motette für drei Chöre von Johann Hermann Schein, unterteilte Reize die Sänger in drei Gruppen auf den drei oberen Balkonen. Demzufolge waren wir Zuschauer von den wiederholenden Sätzen der Motette von oben herab umwoben. Dass das helle Nachmittagslicht durch die obersten Fenster auch auf uns herunterfiel, machte das Sinnerlebnis noch markanter.

In gleicher Art und Weise ging es weiter, der Chor stellte sich entsprechend den komplexen Strukturen der Motette und der architektonischen Möglichkeiten der Kirche immer wieder neu auf. Mal sangen sie sich gegenüberstehend in den Schiffen, dem Echoeffekt eines Stücks für zwei Chöre nachgehend, während sie in der zweiten Hälfte traten vorne im Altarraum in unterschiedlichen Konstellationen auftraten, so dass die Musik in ihrer opulenten Wiederholungen immer neu auf mich wirkte. 

Bemerkenswert war auch an diesem sonnigen Sonntagnachmittag der Kontrast zwischen dem Kirchenraum und dem Marktplatz. Während draussen fröhlicher Trubel von Kind, Clown und Karussell herrschte, tauchten ich gänzlich im kühlen Inneren der Kirche in eine eigene Fantasiewelt ab. Eine Welt wo Schmuck, Licht, Stimme und Architektur auf wunderbar Weise vereinigt war.