Und erstens kommt es anders und zweitens als man denkt: Unsere Bloggerin Myriam Brotschi Aguiar hat sich so einiges vorgemerkt im Programm. Besucht hat sie aber ganz anderes.

«Aufgefallen»
Marie-Christine Eggers lebendige kulturhistorische Führung zum Thema Geister, Gespenster und Wiedergänger durch die nächtlichen Altstadtgassen. Nicht gruslig, wie angekündigt, aber spannend, aufschlussreich und zum Schmunzeln.

«Umgefallen»
Ein bisschen wie die Jungfrau zum Kind – nämlich völlig unvorbereitet – kam ich zur Lesung Schrägstrich Poetry Performance von Jürg Halter – den ich zu meiner Schmach bis gestern nur als Kutti MC kannte – im Künstlerhaus S11. Und sofort und ohne Umwege nahm es mir den Ärmel «ine».

«Abgefallen»
Ich kann nichts nennen, was mir nicht gefallen hätte. Eine, nein, zwei Anregungen habe ich dennoch. 1. Die auf die geraden Stunden ausgerichtete Struktur des Programms – also die Anfangszeiten – wären vielleicht mal zu überdenken. Und die Anfangszeiten so ein bisschen verschoben anzusetzen. Und 2. Die Terminkollision mit den Biertagen umgehen. Es hätte dann vielleicht ein paar Betrunkene weniger unterwegs.

Kultur. Häppchenweise.
Ein bisschen wie das Kind im Süssigkeitenladen, so fühle ich mich vor jeder Kulturnacht. Das Füllhorn an Möglichkeiten kann mich temporär masslos überfordern, weshalb ich froh war, dass mich zmitz-Fotoblogger Dirk Bratz unter seine Fittiche nahm und wir zusammen aufbrachen. Zum Einsteigen gab es grad so ein richtig feines Amuse bouche, serviert vom Trio Rafale im Alten Spital. Drei schöne junge Menschen, die auf hohem Niveau musizieren und mit Piano (Maki Wiederkehr), Violine (Daniel Meller) und dem Cello von Flurin Cuonz den Raum mit wunderbarer Musik erfüllten. Die Zeit drängte, denn um 19 Uhr wollte der Tscheche Jaroslav Rudis – der auch deutsch schreibt – aus seinem Roman «Nationalstrasse» lesen. Wir also im Sauseschritt hinaus zur Zentralbibliothek. Hier nahm der Schriftsteller die spärlich erschienenen Zuhörenden an der Hand und führte uns in eine Beiz in einem Prager Vorort, wo wir uns hinsetzten und Zeuge eines rhetorischen Kraftaktes seines Protagonisten Vandam wurden: kräftig, vulgär, intelligent und reflektierend. Deftige Hausmannskost als Vorspeise von einem, der sein Handwerk versteht und deshalb als Schriftsteller, Drehbuchautor und Dramatiker gleichermassen gefeiert ist.

Danach gelüstete es uns nach Kunst. Also zurück in die Altstadt und hinein ins Künstlerhaus zum 5. Festival ephemerer Kunst. Ephemer ist ein Überbegriff für Formen der Kunst, die sich über Vergänglichkeit definieren. Dort passierte, was mir so häufig passiert, wenn ich Kunst begegne: Sie löst in mir Entzücken aus. Ganz einfach, weil sie mich so zu überraschen vermag. Und im Künstlerhaus entzückten mich gleich drei Kunstschaffende, nämlich Petra Keinhorst mit ihren Wachsobjekten, Philipp Hänger, der aktiv daran war, mit einer Art Füllmaterial sämtliche Räume des Künstlerhauses – poetisch, biologisch – zu bespielen und Maeva Rosset mit ihrer olfaktorischen Seifenblaseninstallation. Um 20 Uhr dann die ankündigte Lesung mit Jürg Halter, der aus verschiedenen seiner Publikationen las. 1980 in Bern geboren, gehört er mit Fug und Recht zu den bekanntesten Schweizer Autoren seiner Generation. Er spricht unaufdringlich, seine teilweisen bösen Witze kommen auf leisen Sohlen daher, trotzdem fliegen ihm während der fast vierzigminütigen Lesung zahlreiche Lacher zu. Ihm, der blitzgescheit, hintersinnig, gesellschaftskritisch, aberwitzig, poetisch und manchmal so traurig das Publikum in seinen Bann schlägt. Jürg Halter war für mich Hauptgang und Dessert zugleich, eine sinnliche Explosion, Nahrung für mein Hirn und auch für die Seele.

Ein Leckerbissen der ganz anderen Art erwartete uns im Kofmehl: Ten Years After, die Blues-Rockband, welche 2017 ihr 50. Jubiläum feiert. Wer sie kennt, weiss, wovon ich spreche, wenn ich sage: Leidenschaft (für die Sache), Legende (sie nahmen schon am Woodstock Festival teil), Liebe fürs Leben (nämlich die Musik, der Stil und alles, was die vier verkörpern). Und wer sie nicht kennt, versteht auch nicht, was ich meine.

Um 00.00 Uhr dann der Absacker. Aber nur, weil es das Letzte war, was wir in dieser Nacht zu uns nehmen wollten: Die Kurzfilmperlen aus dem Programm der 52. Solothurner Filmtage im Kino Uferbau. Die Filme zu später Stunde, die Müdigkeit in den Knochen, der inspirierte, immer noch tanzende Geist – ein perfektes Ende für einen perfekten Abend.

Sie ist eine Frau des Wortes und des bewegten Bildes. Denn Kino kanns Myriam so richtig antun. Immer mal auf Reisen, weiss die Grenchnerin aber auch bestens Bescheid, was in ihrer Hood geht. Immerhin ist sie bestens verwurzelt. Und wenn sie hier über einen Anlass bloggt, schafft sie es, den Leser oder die Leserin auf einen kleinen Exkurs in Träumerei mitzunehmen. Dies aber nicht, ohne ihn oder sie auch sanft wieder auf den Boden der kulturellen Realität zurückzuführen.