zmitz-Blogger Fabian Gressly wollte eigentlich schleunigst auf den Zug. Aber vor dem Bahnhof hat ihn Oligarh Taavet abgefangen: «Do you like rock music?». Protokoll einer Begegnung und von dem, was sie auslöste.

Ich habe keine Zeit. Gleich fährt mein Zug und ich will mir ja einen Ort auf dem Perron suchen, der nicht gleich einen vollen Wagen verheisst. Aber der Typ, der mir – ich wie immer mit Musik in den Ohren – da entgegen winkt, erwischt mich tatsächlich. Ob ich Englisch spräche und kurz Zeit hätte. «Do you like rock music?» Und klar, er könne auch bis zum Bahnhof mitlaufen. Eigentlich mache ich ja jeweils grosse Bogen um all die Greenpeace, WWF, Pro Infirmis und was für Marketingstände auch immer. Es gibt meines Erachtens kaum Nervigeres für Passanten und das Sternchen aus dem Telefonbuch sollte man sich eigentlich auch auf die Stirn kleben können.

Aber zurück zu diesem jungen, kleinen, ernst dreinblickenden Mann, der mir von seiner Band erzählt. Sie seien eine estnische Band und seien in der Schweiz unterwegs. Die Musik, die sie machen, sei etwas im Stil von… – er nennt eine Band, die mir zwar etwas sagt, an die ich mich aber, kaum gesagt, nicht mehr erinnere. Ich werds ja dann zuhaus hören… Sie, «Illumenium», hätten jedenfalls kein Record Label, keine Agentur, erzählt Oligarh Taavet, und würden alles selbst machen. Auch den CD-Verkauf in den Städten, die sie in Europa nach Grösse via Google Maps aussuchen. Solothurn ist also offenbar nicht klein genug, durch diese Maschen zu fallen. So ganz stimmt das mit dem «die Band allein» zwar nicht, denn eine kleine Recherche weist ihn als «Bandmanager» aus. Aber eben keiner im Büro, sondern auf der Gasse.

Das Phänomen tritt immer öfter auf: Bands verkaufen Ihre CDs selbst auf der Gasse. Ob das gut oder schlecht ist..? Es mag sein, dass nun auch viele mediokre Bands ihren Sound verscherbeln. Wobei, glaubt man der Diskussion, die rund um den Musikpreis für Sophie Hunger lief, ist so eine CD nach wie vor nicht billig. Aber klar: Jeder PC kann CDs brennen. Das Cover lässt sich im Copy Shop drucken und dann bastelt man am Samstag halt das Zeug zusammen. Vielleicht war es ja auch nicht gut, haben jahrzehntelang die Labels die Hand auf ihre Schützlinge gehalten und vermarktet. Fakt ist, dass auch in diesem Bereich Spotify, Youtube und Co. die Musikwelt verändert haben. In Kontakt mit der Welt stehe man drum über Internet und Social Media 24 Stunden an sieben Tagen, so Taavet weiter. Ich kaufe die CD schon allein aus reiner Neugier und zahle – man darf, was man will – 20 Franken dafür.

Im Internet kursieren Storys über «Illumenium» von zerlegten Hotelzimmern, was ihnen quasi ein landesweites Hausverbot in estnischen Hotels eingetragen haben soll, unbezahlten Rechnungen und Schlägereien. Band und Entourage zeigen sich auf Facebook auch gern muskelbepackt und aggressiv, aber auch mal handzahm im Spital. Nun, im Spital waren schon viele Musiker. Und Hotelzimmer zerlegt hat auch so mancher. Musikalisch so schlecht können sie aber nicht sein. 2009 haben sie – damals noch als «DeFrage» – den estnischen MTV Music Award für das beste Musikvideo erhalten. Das neue Album «Towards Endless 8» ist sooooo neu aber nicht: Es sei, schreiben Musikkritiker von Musikmagazinen, grösstenteils eine Wiederverwertung von «DeFrage»-Stücken. Ob alt oder neu, die 18 Songs gefallen mir irgendwie noch. Auch wenn ich kein Hardrock-Fan bin und bei «Def Leppard» meine Wohlfühlzone ausgeschöpft ist. Eingängige Gitarren-Riffs, wie bei besagten «Def Leppard», treibende Schlagzeug-Rhythmen, Hall wie im 80-er-Italo-Pop, Echo… – Hardrock aus den guten alten 90ern. Nur das Gerülpse des Sängers müsste nicht sein, aber das ist Geschmackssache. Immerhin, erfahre ich im zmitz-Chat, den wir Blogger untereinander führen: Einige sind der Band auch schon begegnet oder haben ihre CDs gekauft.

Die Begegnung jedenfalls war spannend und die Recherche für diesen Post eben auch. Die zwei Mormonen-Elder, die mich am Abend, vom Bahnhof wieder auf dem Heimweg, anquatschen wollten, hab ich dann übrigens stehen lassen. Ich mag Musik, aber bei Religion «über die Gasse» hörts dann auf…

Mehr zu «Illumenium», z.B. Auftrittsdaten in der Schweiz, gibts auf deren Website, auf deren Facebook-Profil – und wenn man ihren Namen googlet. 🙂

 

 

 

 

 

zmitz würde es ohne Fabian nicht geben. Denn im Jahr 2014 gründeten er und Lucilia den Kulturblog, um die vielseitige Kultur rund um Solothurn sichtbar zu machen. Fabian erzählt unter anderem die Hintergrundgeschichten. Denn auf dem Kulturparkett fühlt er sich wohl, kennt die Kulturschaffenden mindestens genau so gut wie die Kulturveranstalter und weiss auch um kulturpolitische Zusammenhänge. Als Blogger ist er in allen Sparten zuhause. Er ist aber nicht nur Co-Leiter der Redaktion, sondern kümmert sich als Präsident des Vereins darum, dass auch formal bei uns nichts aus dem Ruder läuft.