zmitz-Bloggerin Myriam Brotschi Aguiar mag Literatur, das Schreiben und die Atmosphäre in Kunsthäusern: Vergangene Woche lud der Verein «Granges MELANGES» zu einer Lesung mit Melinda Nadj Abonji ins Kunsthaus Grenchen – und unsere Bloggerin war im Himmel.
Die Frauen des Vereins Granges MELANGES organisieren mit viel Feingefühl Aktivitäten zum Thema Fremdsein und Integration und treffen damit auf reges Interesse. So auch bei der Lesung Melinda Nadj Abonjis aus ihrem mehrfach ausgezeichneten Roman «Tauben fliegen auf». Die zahlreich erschienenen, vornehmlich weiblichen Besucherinnen hingen der Autorin an den Lippen, als sie, die grazile Erscheinung, mit stimmiger Satzmelodie aus ihrem Roman liest. Sechs Jahre hat sie an dieser Geschichte mit autobiografischen Elementen geschrieben. Entstanden ist Sprache, die schmeichelt, beschwört, Bilder im Kopf entstehen lässt, verführt, liebkost, zum Lachen bringt und zum Nachdenken anregt. Man hört ihr gerne zu, ich höre ihr gerne zu und wie andere im Publikum nehme ich mir vor, den Roman erneut zu lesen. Die ungarisch-schweizerische Schriftstellerin, Musikerin und Künstlerin wuchs in der Schweiz auf, nachdem ihre Familie aus dem damaligen Jugoslawien in die Schweiz emigrierte. «Tauben fliegen auf» erzählt lebendig, unterhaltsam, in melancholischen Bildern und authentisch vom Ankommen in einem fremden Land, von Reisen in die alte Heimat, vom Aufwachsen in zwei Welten und vom Wunsch, Teil der Schweizer Gesellschaft zu sein.
Die Lesung mit anschliessender Fragerunde kriecht unter meine Haut. Denn neben dem Genuss, ihr zu lauschen, einzutauchen in diese ebenso witzige wie unglaublich poetisch geschriebene Geschichte, löste Melinda Nadj Abonji, in mir Betroffenheit aus. Sie vermochte mit wenigen Worten auszudrücken, was es bedeutet, in einem Land anzukommen und die Sprache nicht zu verstehen. Man verstummt. Und weil man nicht versteht, was die anderen rund um einen herum sagen, der Briefträger, die Verkäuferin, verstummen irgendwie auch diejenigen. Melinda Nadj Abonji ist es dennoch gelungen, zur deutschen Sprache zu finden. Und wie.
Melinda Nadj Abonji: Tauben fliegen auf. Roman. Verlag Jung und Jung, Salzburg 2010. Das Buch wurde 2010 mit dem Deutschen Buchpreis und dem Schweizer Buchpreis ausgezeichnet. Erhältlich ist es unter anderem hier.
Sie ist eine Frau des Wortes und des bewegten Bildes. Denn Kino kanns Myriam so richtig antun. Immer mal auf Reisen, weiss die Grenchnerin aber auch bestens Bescheid, was in ihrer Hood geht. Immerhin ist sie bestens verwurzelt. Und wenn sie hier über einen Anlass bloggt, schafft sie es, den Leser oder die Leserin auf einen kleinen Exkurs in Träumerei mitzunehmen. Dies aber nicht, ohne ihn oder sie auch sanft wieder auf den Boden der kulturellen Realität zurückzuführen.