In Solothurn hat Anita Mendes, alias Mieze, gerne Kitsch-Bilder gemacht. In ihrer neuen Heimat in Nordnorwegen hatte sie noch keine Zeit dazu. Es gibt so viel neues zu entdecken.
Wieso und wann sind bist Du nach Norwegen gegangen?
2011 war ich das erste Mal mit dem Wohnmobil in Skandinavien und verliebte mich sofort. Besonders Nord-Norwegen hat mich total fasziniert. Die Natur ist gewaltig, atemberaubend… Mich hat beeindruckt, wie man der Natur ausgeliefert ist. Weitere Reisen folgten. Zurück in der Schweiz, wurde die Sehnsucht grösser. Meinem Mann ging es auch so und irgendwann war für uns klar: Wir müssen hier her ziehen. Wir sparten, lernten Norwegisch, informierten uns. Nach ca 1,5 Jahren waren wir soweit: Wir kündigten den Job, die Wohnung und mein Atelier. Wir verschickten viele Bewerbungen, im März flogen wir nach Tromsø und kamen nach zwei Wochen mit Jobs und Wohnung im Sack zurück. Am 1. Mai 2015 verliessen wir die Schweiz und kamen 4 Tage später in Tromsø an. Es war ein langer Weg. 🙂
Und wie lebt es sich dort so im Vergleich zur guten, alten Heimat?
Wunderbar, ich bin total glücklich. Bei 4°C Durchschnitts-Temperatur ist es vielleicht etwas kälter, aber so ist das halt über dem Polarkreis. Die Natur, die Mitternachtssonne und die Nordlichter entschädigen das absolut. Dass einem im Sommer um 2 Uhr morgens die Sonne ins Wohnzimmer scheint oder im Winter die Nordlichter über einem tanzen, wenn man auf den Bus wartet, ja das ist schon anders als in der Schweiz. 😉 Die Menschen hier sind sehr aktiv, egal ob im Winter oder Sommer. Man richtet sich nicht gross nach Jahres-, oder im Sommer nach Tageszeiten. Da kann es gut vorkommen, dass der Nachbar im Sommer am Sonntag um 22 Uhr noch den Rasen mäht oder jetzt die Kinder in der Dunkelheit mit Warnwesten draussen spielen. Besonders zu Mitternachtssonne-Zeit nutzt man auch die Nacht für Ausflüge, Wanderungen oder Sport.
Im Winter ist man oft müde, wegen der Dunkelheit. Da schalten aber alle einen Gang zurück, auch bei der Arbeit. Man lebt hier mit der Natur, richtet sein Leben danach, passt sich an. Die Menschen sind entspannter, selten verdreht einer die Augen, wenn er in der Schlange steht und es nur langsam vorwärts geht. Obwohl Tromsø mit ca. 70000 Einwohner grösser ist als Solothurn, finde ich es hier ruhiger und entspannter, nicht aber langweiliger.
Mit der Sprache ist es aber wie in der Schweiz: es gibt viele Dialekte. Da bin ich jetzt noch oft etwas aufgeschmissen, aber die Norweger sind sehr freundlich und hilfsbereit.
Wie unterscheidet sich das Kulturleben zwischen Tromsø und der Schweiz?
Tromsø ist eine Studentenstadt mit einer sehr ausgeprägter Gastroszene. Wie in Solothurn hat es verhältnissmässig viele Bars und Restaurants. Zudem gibt es Openairs mit bekannten, internationalen Bands. Es gibt auch eine Kulturnacht und ein Filmfestival, das sogar wie in Solothurn im Januar stattfindet – mit dem Unterschied, dass es hier Openair ist. Es gibt ein Foodfestival, den Mitternachtssonne-Marathon und sonst noch ganz viele Veranstaltungen. Zudem hat Tromsø viele Museen.
Was vermisst Du in Norwegen, was Du in Deiner Heimat hattest/hättest?
Natürlich Familie und Freunde und mein geliebtes Atelier, sonst kommt mir nichts relevantes in den Sinn. Wenn man in ein anderes Land zieht, sollte man nicht an Kleinigkeiten festhalten. Man kann nicht erwarten, dass die Leute gleich ticken oder man dasselbe wie in der Schweiz einkaufen kann. Die Bedingungen hier sind gesetzt. Es lohnt sich nicht, sich über Unterschiede aufzuregen oder Dinge zu vermissen. Es ist spannend sich mit all dem Neuen auseinander zu setzten, mit ungewohnten Lebensmittel zu kochen. Wenn man auswandert, will man ja auch Neues.
Umgekehrt werde ich wohl in der Schweiz in Zukunft jede sternenklare Nacht ohne Nordlichter für eine Verschwendung halten. 😉
Es gibt ja Dinge aus der Schweiz, die man (ein bisschen) vermisst. Was ist das bei Dir? Was nimmst Du jeweils mit, nachdem Du mal wieder hier warst?
Geriebene Mandeln, Fondue und Schokolade haben wir uns schon bringen lassen. Das ist hier alles sehr teuer. Aber wie oben gesagt, es muss halt auch ohne gehen. Man wird kreativ und versucht Alternativen zu finden…
Und was bringst Du jeweils Freunden und Bekannten aus Norwegen mit?
Die Norweger lieben Umfragen und Ranglisten. Bei der Umfrage, was denn das Norwegischste überhaupt sei, landete der Brunost auf Platz 1. Dies ist ein spezieller brauner Käse, welcher süsslich nach Karamell schmeckt. Den vielleicht, wobei er etwas gewöhnungsbedürftig, aber sehr lecker ist.
Wo trifft man Dich regelmässig an? Wo verbringst Du Deine Freizeit? Wo trifft man Dich bestimmt nie an?
Am regelmässigsten trifft man mich, wenn natürlich nicht in der Bäckerei, in der ich arbeite, am Hurtigrutenquai an. Dort gucke ich, wenn immer ich kann, den Schiffen beim Anlegen zu. Ich gebs zu: ich bin ein Hurtigruten-Nerd. 😀 Im Sommer gehe ich nach der Arbeit oft zu der Telegraph Bukta, dem Tromsø Strand. Da ist bei schönem Wetter viel los und alle sind am Grillen. Zudem baden da die Mutigen vor schneebedeckten Bergen, total surreal! 😀 Gerne gehe ich auch ins Polarmuseum. Dann sind da noch meine zwei Lieblings-Bars, das Blå Rock und die Bastard Bar, zwei Bars nach meinem Geschmack, mit Gitarrenmusik. Aber am liebsten verbringe ich meine Freizeit in der Natur. 18 Jahren Gastgewerbe in der Schweiz haben mich wohl etwas zivilisationsmüde gemacht… Egal in welche Richtung man Tromsø verlässt, man ist sofort in schöner Natur: hohe Berge, weisse Sandstrände mit türkisfarbenem Wasser und dazu wilde Tiere. Im Moment hat es in den Fjorden Orcas und Buckelwale.
Und ganz bestimmt trifft man mich auch hier nicht in Clubs ohne Gitarrengeschrumme an. 😉
Aus welchem Grund würdest Du wieder in die Schweiz zurückkehren?
Wenn mein Mann zurück möchte oder der Golfstrom beschliessen würde, dass er nicht mehr hier hoch kommen will und dadurch die Gegend hier oben unbewohnbar werden würde ;-D
Welches Solothurner Kulturlokal oder -ereignis fehlt Dir bzw. würdest Du nach Tromsø zügeln?
’s Kofmehl.
Ohne Lucilia wäre zmitz nicht zmitz. Denn im Jahr 2014 gründeten sie und Fabian den Kulturblog, um die vielseitige Kultur rund um Solothurn strahlen zu lassen. Aus langjähriger beruflicher Tätigkeit und purem persönlichem Interesse kennt sie die Kulturbetriebe der ganzen Region und denkt immer eine Nasenspitze weiter. Sie ist aber nicht nur Co-Leiterin der Redaktion, sondern auch Vizepräsidentin des Vereins zmitz.