Er war jahrelang Direktor der Zentralbibliothek Solothurn und hat Bücher «gehütet». Nun ist er selbst unter die Autoren gegangen: Wie Peter Probsts «Anna und der Engländer» bei zmitz-Blogger Fabian Gressly angekommen ist.

Jean-Pierre Richner ist kaum gross aus S. herausgekommen. Seine Eltern haben zwar in London gelebt, er aber besuchte erst das Internat in S., wo er schnell einmal «der Engländer» genannt wurde. Weniger wegen des Wohnorts seiner Eltern, als wegen seines Habitus‘. Vater und Mutter starben früh, Jean-Pierre wuchs bei einem seiner Internatslehrer und dessen kleiner Tochter auf. Er heiratete diese und wurde an der hiesigen Universität Bibliotheksdirektor. Nun wohnt er mit seiner Frau Anna in deren Familienstammsitz, einer alten Kaplanei, irgendwo abseits der Stadt oberhalb einer Schlucht. Eines Tages erinnert er sich an seine früheren Tage, denn ein Symposium an seiner Uni führt einen fast vergessenen Jugendfreund in den Ort.

Das ist ganz kurz zusammengefasst, was Peter Probst über die knapp 80 Seiten seiner Novelle erzählt; schnörkellos, nahe an einer Realität, gut vorstellbar. Und diese Frage taucht während des Lesens immer wieder auf: Wie viel Realität ist dran, an «Anna und der Engländer»? Der Ort der Handlung ist klar Solothurn. Man sieht den Bibliotheksdirektor von seinem Haus in 20 Minuten an seinen Arbeitsort spazieren. Von Kreuzen bei Rüttenen, was tatsächlich einst eine Kaplanei war, in die Zentralbibliothek. Die Altstadt. Die Einsiedelei. Der Autor selbst, dem, wer ihn ein bisschen kennt, durchaus eine gewisse britische Erscheinung zu attestieren ist. Die unzähligen Reminiszenzen an bestehende Orte und Personen lassen in jenen, die Solothurn kennen, ein wohliges Gefühl aufkommen. Man wandelt mit, blickt mit, fühlt mit.

«Anna und der Engländer» ist eine Kurzgeschichte, die von Geschichten erzählt, die sich in einem gelebten Leben «anhäufen». Sie trägt einen davon, ohne dass sie einen den Blick auf den Realitätsbezug verlieren lässt. Sollte es tatsächlich Universen in Paralleldimensionen geben, in einer wäre Solothurn Universitätsstadt und Peter Probst deren Bibliotheksdirektor – und ich ja vielleicht Dozent. Und vielleicht ist das gleichzeitig auch das Problem der Novelle – und das von Büchern anderer Solothurner: Was stimmt? Was ist Wunschvorstellung? Was ist reine Fiktion? Vielleicht finden Sie ja die richtige Antwort für sich, wenn Sie «Anna und der Engländer» lesen.

 «Anna und der Engländer», erschienen im Knapp-Verlag Olten, ISBN 978-3-906311-09-8, 80 Seiten. Das Buch bei buchhaus.ch
 

zmitz würde es ohne Fabian nicht geben. Denn im Jahr 2014 gründeten er und Lucilia den Kulturblog, um die vielseitige Kultur rund um Solothurn sichtbar zu machen. Fabian erzählt unter anderem die Hintergrundgeschichten. Denn auf dem Kulturparkett fühlt er sich wohl, kennt die Kulturschaffenden mindestens genau so gut wie die Kulturveranstalter und weiss auch um kulturpolitische Zusammenhänge. Als Blogger ist er in allen Sparten zuhause. Er ist aber nicht nur Co-Leiter der Redaktion, sondern kümmert sich als Präsident des Vereins darum, dass auch formal bei uns nichts aus dem Ruder läuft.