zmitz-Blogger Fabian Gressly hat am Wochenende in Deitingen einen alten Mann besucht. Weil für ihn ein Platz im Altersheim vorgesehen war, verabschiedete der sich von seiner alten Wohnung – und schlief ein.
Zum Glück bleibt es mir erspart – hoffentlich für immer, aber zumindest für noch lange Zeit. Es muss für eine alte Person enorm hart sein, ihr eigenes Leben in den eigenen vier Wänden aufzugeben. So muss es auch Herrn Rossi gegangen sein, als er ein letztes Mal – Tochter und Altersheim-Leiter warten schon unten – seine Wohnung betrat, um sein Pyjama zu holen. Schweren Herzens und noch langsamer – gewollt langsam? – als sonst trat er ein, hängte Hut und Stock an die Garderobe, suchte seinen Pyjama, setzte sich noch einmal in seinen Schaukelstuhl und nickte ein.
Herr Rossi, der «Pyjamann» (so heisst das Stück), träumt eine gute Stunde und das Publikum sieht ihm dabei zu. Natürlich nicht, wie er schläft, sondern es träumt mit dem alten, gebrechlichen Mann mit, sieht die Traumbilder. Von ihm, wie er sich in jüngeren Jahren mit seinem Baby abgibt. Oder von ihm, wie er – als erwachsener Sohn – mit seinem Vater zu Tische sass, ohne Wissen der Mutter Wein und Grappa trank. Von einer verflossenen Liebe, der Arbeit im Restaurant, dem Zahnarztbesuch und von dem, was Herr Rossi auch gern mal gemacht hätte: Zaubern, als Arzt, Dompteur oder Dirigent wirken, als Pirat Gegner in Angst und Schrecken versetzen… Und mitten drin eine Pause von Spiel und die Rückkehr in die Realität, wo sich Christoph Schwager über die Idee seines Regisseurs nervt, einen 60-jährigen Darsteller als Pirat herumtollen zu lassen.
Das ist einer der wenigen Momente, in welchen Christoph Schwager, Theaterdarsteller, -regisseur, -vermittler und vieles mehr, zu Worten greift. Der Rest des Stücks findet weitgehend ohne Worte statt. Und wie Schwager dies fertig bringt – mit reiner Mimik, mit Timing, ein paar Kleidern oder Requisiten und unterstützt durch Musik oder Geräusche – erstaunt. Mit Ironie, mit Witz, mit Ernst und Feingefühl. Nicht, dass ich es ihm nicht zugetraut hätte. Ich hatte schon ein paar Mal mit Christoph Schwager zu tun und spüre sein Gespür, lese seine Worte in seinen Augen. Dies dann aber tatsächlich vor sich zu sehen, war eindrücklich. Ebenso wie die Erkenntnis, dass man eine Stunde ohne Smartphone oder gesprochenes Wort bestens unterhalten wird.
Zum Abschluss: Ein Besuch bei Kultur Deitingen lohnt sich. Wo sonst kriegt man einen persönlich angeschriebenen, reservierten Stuhl? Wo sonst ist man so nahe an der Bühne – auch aus der hintersten Reihe. Wo kann man nach der Vorstellung bei einem gemütlichen Apéro plaudern? Zum Beispiel das nächste Mal am 29. Januar 2016 mit dem Pfannenstil Chammer Sexdeet. Details gibt’s auf der Website von Kultur Deitingen (www.kultur-deitingen.ch).
zmitz würde es ohne Fabian nicht geben. Denn im Jahr 2014 gründeten er und Lucilia den Kulturblog, um die vielseitige Kultur rund um Solothurn sichtbar zu machen. Fabian erzählt unter anderem die Hintergrundgeschichten. Denn auf dem Kulturparkett fühlt er sich wohl, kennt die Kulturschaffenden mindestens genau so gut wie die Kulturveranstalter und weiss auch um kulturpolitische Zusammenhänge. Als Blogger ist er in allen Sparten zuhause. Er ist aber nicht nur Co-Leiter der Redaktion, sondern kümmert sich als Präsident des Vereins darum, dass auch formal bei uns nichts aus dem Ruder läuft.