Heute wird Peter Bichsel 80 Jahre alt. Einer der wichtigsten Autoren der Schweiz ist viel, will aber nicht viel sein. Bescheidenheit? Er ist jedenfalls ein Beobachter, der die Langeweile immer wieder entlarvt.

Eine Woche vor Ostern traf ich am Morgen in der Beiz verkaterte und betrunkene Leute. Sie waren sehr laut und sehr fröhlich. Sie feierten den Schweizermeistertitel des SCB Bern. Nein, sie waren nicht in Lugano, sie hatten nicht einmal alle das Spiel im Fernsehen gesehen. Aber sie feierten (versuchten zu feiern) das grosse Ereignis, und sie gingen für einen Tag, für zwei Tage nicht zur Arbeit – das ist ein hoher Preis für den Glauben an den SCB Bern –, und ich, der ich keine Neigung zu Eishockey habe, verstehe das eigentlich nicht.

Die Passage aus Peter Bichsels «Feiertage», erschienen im Buch «Dezembergeschichten» stammt aus dem Jahre 2007. Trotz ihrer acht Jahre – was sind schon acht Jahre gegenüber von achtzig Jahren – hat sie ein Stück Aktualität nicht verloren. Auch wenn sich die Gegenwart verändert hat – eine Woche vor Ostern werden wir beispielsweise dieses Jahr nicht wissen, wer Schweizermeister im Eishockey ist (in der heutigen Hektik dauert alles eben ein bisschen länger) –, die Betrachtungen des Schriftstellers treffen noch immer. Sie führen uns vor Augen, wie unser Alltag aussieht. Es sind anscheinend belanglose Feststellungen wie «Eigentlich möchte Frau Blum den Milchmann kennenlernen», die dann so entlarvend und zielgenau sind, dass sie zuweilen schon schmerzen. Mit den Kurzgeschichten in «Eigentlich möchte Frau Blum den Milchmann kennenlernen» war Peter Bichsel, am 25. März 1935 in Luzern geboren, 1964 auf einen Schlag berühmt geworden. Der Lehrer schaffte sich und der Schweiz damit auf Anhieb den Nimbus als gefeierter, kritischer und entwaffnender Autor. Er erhielt sofort den Literaturpreis der Gruppe 47, in der sich von 1947 bis 1967 deutschsprachige Autoren trafen und die junge Schriftsteller förderte. Die Reihe der Preise, die Bichsel seither einheimste, ist schier endlos und führte 2011 zum Solothurner Literaturpreis und 2012 zum grossen Schillerpreis.

Dazwischen sind unzählige Geschichten entstanden, Bichsel schrieb für Bundesrat Willi Ritschard Reden, Kolumnen für die Weltwoche und bis vor Kurzen für die Schweizer Illustrierte. Die Weltwoche sagte 2012 über ihren ehemaligen Kolumnisten «Bichsel ist weder anstrengend noch banal, noch böse, er ist einfach der sympathische alte Mann aus Solothurn.» Böse an sich ist Bichsel nicht. Seine Boshaftigkeit – im besten Sinne – steckt eher im Spiegel, der er uns vorhält. Auf Jahrmärkten gibt es diese Spiegel, die einen grösser oder dicker machen. Bichsels Spiegel macht uns real. Und das macht uns ab und zu vielleicht ein wenig böse. Zum Glück.

Die letzte Tour-de-France-Etappe, wo die Fahrer nach Paris und die Champs Elysées raufradeln, «diese langweilige Schlussetappe, in welcher eigentlich nichts mehr passiert, hat mir immer am besten gefallen», sagte Bichsel 2012 anlässlich eines Interviews zum Film «Zimmer 202». Dass diese Langeweile, das Nichtstun uns entlarvt und tiefe Einblicke gibt, das zeigen Bichsels Texte immer wieder auf. Der Solothurn-Oltner-Luzerner-Mittelländer-Schweizer-Weltbewohner überrascht immer wieder mit messerscharfen, ungezwungenen Aussagen und treffenden Anaylsen. Die Langeweile als Erkenntnis.

Heute wird Peter Bichsel 80 Jahre alt. Und keiner kann ihm gerecht werden ausser er selbst. Deshalb empfiehlt zmitz, sich ein paar Minuten Zeit zu nehmen, der Langeweile Einzug zu gewähren und Peter Bichsel zuzuhören (alles Filmbeiträge von SRF):

Peter Bichsel 1983 zur Zeit: http://www.srf.ch/play/tv/archivperlen/video/peter-bichsel-ueber-die-zeit?id=15f79620-a694-4991-80f5-a22aad8b06f8

Peter Bichsel 2012 zur Prominenz: http://www.srf.ch/play/tv/news-clip/video/peter-bichsel-prominenz-ist-ein-schaebiger-posten?id=97bc55d1-9281-4460-be05-6df560ee21fc

Einige Tage nach seinem 75. war Peter Bichsel bei Kurt Aeschbacher: http://www.srf.ch/play/tv/aeschbacher/video/peter-bichsel-und-eric-bergkraut?id=51dd6646-2b40-4105-bf97-5392a5791361

Interview mit Peter Bichsel 2008: http://www.srf.ch/play/tv/kulturplatz/video/interview-mit-peter-bichsel?id=97b92537-8f3e-4974-89e8-0c10bf927a89

Und zu guter letzt Mike Müller als Peter Bichsel in Giacobbo/Müller 2009: http://www.srf.ch/play/tv/giacobbo–mueller/video/peter-bichsel?id=a5015b18-c6c5-4a9a-b4d9-6f97b2333639

 

zmitz würde es ohne Fabian nicht geben. Denn im Jahr 2014 gründeten er und Lucilia den Kulturblog, um die vielseitige Kultur rund um Solothurn sichtbar zu machen. Fabian erzählt unter anderem die Hintergrundgeschichten. Denn auf dem Kulturparkett fühlt er sich wohl, kennt die Kulturschaffenden mindestens genau so gut wie die Kulturveranstalter und weiss auch um kulturpolitische Zusammenhänge. Als Blogger ist er in allen Sparten zuhause. Er ist aber nicht nur Co-Leiter der Redaktion, sondern kümmert sich als Präsident des Vereins darum, dass auch formal bei uns nichts aus dem Ruder läuft.