Mit «Tango des pas perdus» übersetzten Misato Inoue und Felix Duméril das Lebensgefühl als Dialog zwischen Mann und Frau in aktuelles Tanztheater, so die Verantwortlichen im Stadttheater Solothurn. Die «Übersetzung» kam aber nicht überall verständlich an, wie das Tango-Duell von Dominique Niklaus und Marcel Frey zeigt.
Der vermisste Tango in Reinkultur
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Es macht Spass zuzuschauen
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«It was great!» höre ich eine begeisterte Stimme nach der Aufführung «Tango des pas perdu» im Stadttheater Solothurn. Ich höre mich verzweifelt weiter um. «Es war durch und durch perfekt, es hatte alles, mehr geht nicht!» Auch Marcels Augen glänzen nach der Aufführung. Wie er bin auch ich nur Tanz-Laie, aber ich fand es leider gar nicht so «great».
Es war eine ok-Aufführung, mehr nicht. Und warum? Nun, da wäre mal der Tango, der titelgebende rote Faden der Aufführung. Es gab Tango in allen Variationen: Mit Bein stellen, Stühle verschieben, einer zweiten Tänzerin, die am Paar herumturnt, Tangotanz nur mit Fingern oder nur mit Schuhen. Alles mit Witz, Schalk und Dramatik garniert. Etwas habe ich aber schmerzlich vermisst: Einen Tango in Reinkultur. Ohne dass gestolpert, Minen verzogen oder sonst unnötig rumgeturnt wird. Dafür gab es Handpuppen, deren Sinn ich nicht wirklich verstanden habe, unmögliche Kostüme und eine einzelne Projektion mit Schmetterlingen, die genauso schnell verschwand, wie sie erschienen ist. Das mag hart klingen. Aber ich weiss, dass Félix Duméril und Misato Inoue mit ihrem T42 Dance Projects auch anders können und eigentlich wahrlich begnadete Choregraphen sind. Denn ihre Aufführung «Tour d’Horizon» letztes Jahr hatte mich restlos begeistert, das war wirklich durch und durch perfekt, mit Projektionen, Musik und Kostümen, einfach alles. Und genau deshalb werde ich trotz dieser Enttäuschung das T42 Dance Projects weiterverfolgen, weil sie mein Interesse an Tanz überhaupt geweckt haben. |
Wie schreibt man über eine Tanzaufführung zum Thema Tango, ohne das alle, welche hier noch am Lesen sind, den Text zu Ende lesen? Ich weiss Tango und Tanz und dann noch im Stadttheater schreckt vom Weiterlesen ab. Ginge mir auch so.
Ich hatte als Publikum Frauen mittleren Alters mit grünen Hosen und kurzen graumelierten Haaren im Kopf, welche sich vor der Darbietung über Yoga-Stunden etc. unterhalten würden. Und wenn es den Männer hätte , dann sicher sehr gefühlvolle Menschen, am besten mit Nickelbrille und einem Rossschwanz und einem Flair für alles Südländische im Generellen. War aber nicht so, Frau wie Mann putzt sich heraus und machte diese Aufführung auch zu einem gesellschaftlichen Ereignis. Und mit Silvia Jost, war auch jemand mit TV-Fame da. Die Aufführung von «Tango des pas perdus» wurde von Félix Duméril choreographiert, von dem ich bereits einmal eine Aufführung gesehen habe und schon damals gefiel mir, was ich sah. Mir gefiel damals, dass er über einen Bildwitz in seinen Aufführungen verfügt, ähnlich wie ihn Wes Anderson in seinen Filmen einsetzt. Dadurch wirken sie gerade für Leute, die mit Tanzaufführungen nichts am Hut haben, zugänglich. So setzt er «Roxanne» von «The Police» in einer Tom-Waits-mässigen Version ein oder eine Handpuppe kommt zum Einsatz oder er arbeitet mit Projektionen. Zudem macht es Spass, den Tänzern bei Ihrer Darbietung zuzuschauen, welche bei Félix Duméril immer auch akrobatische Komponenten beinhalten. Wenn das alles nicht überzeugt, dem hilft vielleicht der Hinweis, dass das Ganze nur 60 Minuten dauert, um 19.00 Uhr beginnt und um 20.00 fertig ist. Und schon hat man sich ohne grossen Zeitaufwand kulturelles Neuland betreten. Keine Sache oder? Und der Text ist auch schon am Ende angekommen. Demnächst wieder an einem Sonntag in Biel im Stadttheater. |
Was Dominique bringt, hat Hand und Fuss. Ab der eigenen Neugier überrumpelt, ist sie auch mal für Ungewohntes zu haben und scheut sich nicht, ihre Meinung kund zu tun. Vor einigen Jahren frisch nach Solothurn gezügelt, hat sie sich sofort in die Stadt und ihr Kulturleben verliebt. Sie bewahrt sich aber den Blick der Zugezogenen, der den komplett verblendeten Einheimischen manchmal abgeht. Und das ist gut so.