Was für ein Vortrag! Arno Stern und sein Sohn André rockten den Konzertsaal mit ihrer kindlichen Begeisterung. Ausgehend von Stern Seniors Forschung zum kindlichen Zeichnen präsentierten sie ihre Vision einer Gesellschaft, in der alle (wieder) Kind sein dürfen.

Was macht dieser Bericht hier auf zmitz.ch? Ich will euch erzählen von einem Kulturereignis an der Grenze von Unterhaltung und Bildung, das 500 Leute in den Konzertsaal zog und mit Standing Ovations endete. Auch bei der anschliessenden Autogrammstunde waren die Sterns beim (vornehmlich weiblichen) Publikum sehr gefragt. Und natürlich war es ein Vortrag, aber eben ein Vortrag mit dem Unterhaltungswert eines Popkonzerts. Also von vorne. Es beginnt André, der Sohn, der nie in eine Schule musste. Er erzählt launig über seine eigene Kindheit und darüber, wie er mit seinem kleinen Sohn wieder neue Erfahrungen macht. Das Publikum lacht und hört aufmerksam zu, klatscht spontan vor Begeisterung. Beispielsweise dann, wenn er von Müllmännern und Mähdrescherfahrern erzählt, die unter den begeisterten Augen seines Sohnes zu Höchstform auflaufen. Und er macht klar – mein Sohn ist nicht hochbegabt – er ist ein banales Kind. Aber eben – ein Kind und dadurch zu begeistern. Rhetorisch geschärft und dramaturgisch geschickt, vermittelt André Stern eine klare Botschaft: Wir haben unsere kindliche Begeisterung verloren und tun allzu oft, was vernünftig ist – bloss, um irgendwelche erwachsenen Erwartungen zu erfüllen.

Und genau diesen Faden nimmt Stern Senior auf, als er, leider ablesend, seinen Vortrag beginnt und folgende Thesen vertritt. Das begeisterte Kind handelt spielerisch-spontan und alle Sinneskanäle sind zum Lernen geöffnet. Leider werden diese Kanäle geschlossen, und zwar geschieht dies durch Bewertungen von aussen. Oft sind es Erwartungen unserer Gesellschaft, weitergetragen durch die Institution Schule. Prallen diese Bewertungen auf das Kind, verliert es jegliche Lust am spontanen Spiel. Zweckfreie kindliche Äusserungen, wie sie beim Malen geschehen, werden für das Kind uninteressant. Genau darum geht es aber laut Stern beim Spielen – Das Spiel dient keinem Zweck ausser der eigenen Unterhaltung, dem sich-selbst-Erfahren, dem Lustgewinn und allenfalls dem Lernen. Und es sei fatal, dem Kind zu sagen, hör’ auf zu spielen, und lerne endlich! Spielen ODER Lernen, diese Haltung sei doch seltsam. Auch auf Grund dieser Überlegungen schuf Arno Stern den sogenannten Malort. Ein wertfreier Raum, in dem Kinder malen können, wie sie wollen. Da ist niemand, der ihnen sagt, dass ihre Zeichnung gut oder schlecht war. Auch grosse Kinder dürfen übrigens in den Malort, allerdings müssen die entstandenen Zeichnungen im Malort bleiben. Denn es geht nicht um ein Produkt, sondern einzig um den kindlichen Ausdruck, um die Freude am zwecklosen Malen.

Im Anschluss an den Vortrag gab es eine Fragestunde, die zwar etwas lang wurde, aber nicht weniger interessant war. Am Ende war ich beeindruckt und auch ein bisschen ratlos, wie denn diese Ideen in meinem schulischen Alltag umzusetzen seien. Denn auch ich bin Teil dieses Systems und der Institution Schule mit ihren ganzen Sachzwängen, und ich frage mich schon manchmal, wo das Kind in uns noch Platz hat in diesem System  – und in dieser ach so vernunftbetonten Gesellschaft. Es braucht Mut, auszubrechen und etwas Neues zu wagen. Dass sich Mut und Vertrauen lohnen, dafür waren die zwei Sterns an diesem Abend ein leuchtendes Beispiel.

Zum Abschluss ein Zitat:  Ich möchte nicht mein Vater sein. Ich möchte so «ich» sein, wie er «er» ist.  (André Stern, an seinen Vater gewandt):

Informationen zum Malort, zu den Büchern und Vorträgen gibt es bei www.arnostern.com